Kretisches Kaffeetagebuch: die Höhle der Göttin

Diesmal sind wir früh auf der Straße. Die führt uns zu einem ganz besonderen Ort etwa sieben Kilometer östlich von Iraklio und etwa einen Kilometer landeinwärts vom Küstenort Amnissos. Da sich die Anfahrt etwas schwierig gestaltet, hatte ich mir die Route Schritt für Schritt auf Google Maps angesehen. Bei Amnissos geht es runter von der Nationalstraße, dann nach links durch die Unterführung und gleich an der nächsten Kreuzung wieder links. Nun einige hundert Meter zurück Richtung Iraklio. Beim Hotel Karteros geht es links Richtung Epis Kopi und wieder unter der Nationalstraße durch. Bald kommt ein blauer Wegweiser „Eileithyias Cave“.

Die Straße geht in einem weiten Bogen nach links führt zu einer Haarnadelkurve. Nach einem kleineren Bogen nach rechts sucht man am besten einen Parkplatz. Hier weist ein braun-oranges Schild auf die Höhle hin. Die findet man, in dem man einige Meter den Hang herunter geht. Ein Baum beschützt den Eingang zur Höhle. Ein Eisengitter ist nur mit einem roten Band verschlossen. Hier sollen wohl eher die Ziegen und Schafe abgehalten werden, als Touristen. Gut, dass Kostas daran gedacht hat Taschenlampen zu besorgen! Es geht hinunter in eine mittelgroße, bauchige Höhle. Dann steht sie plötzlich vor einem, die Göttin, ein menschengroßer Stalagmit vor dem ein kleiner Strauß frischer Blumen liegt. Wachsreste zu Füßen der Säule zeugen davon, dass hier auch Kerzen angezündet wurden.

Als Zeus nach Kreta kam war die Göttin längst hier. Die Namen der Göttin sind vielfältig. Belegt ist, dass die Bewohner von Knossos hier die Göttin Eileithyia anbeteten,  in der griechischen Mythologie die Göttin der Geburt. Später wurde sie als Tochter des Zeus und der Hera in den griechischen Götterhimmel eingeordnet, in Wahrheit dürfte sie schon viel länger als Fruchtbarkeitsgöttin auf Kreta verehrt worden sein. Ebenfalls auf Kreta verehrt wurde Britomartis, eine Nymphe, die aus der Verbindung von Zeus und Karme entstanden sein soll. Sie ist auch als Aphaia, die „Helle“, bekannt. Die Minoer nannten sie jedoch Diktynna, nach dem Berg Dikte, von dem sie laut der griechischen Mythologie ins Meer sprang. Abgebildet wurde die Göttin auch als Potnia theron, wie eine Inschrift in Linia-B-Schrift aus Knossos belegt, die Beherrscherin der wilden Tiere. Darstellungen von ihr wurde auf Kreta im Palast von Zakros und in Akrotiri auf Santorin gefunden. Es gibt aber auch Funde in Afghanistan, Ägypten und der Türkei.

Eileithyia wurde als Beschützerin gebärender Frauen besonders in dieser Höhle, die der Sage nach auch ihre Geburtshöhle gewesen sein soll und in Lakonien verehrt. Noch heute gehen schwangere Frauen in diese Höhle um Schutz und Beistand zu erbitten. Es heißt, sie reiben ihre Bäuche an der Säule. Der Blumenstrauß belegt, dass sie unvergessen ist. Auch in Hermione auf der Peloponnes soll es Heiligtümer für Eileithyia gegeben haben. Laut einem Bericht des Pausanias wurden ihr dort jeden Tag mit Weihegeschenken und Räucherungen Opfer dargeboten. Niemand außer den Priesterinnen dieser Heiligtümer durfte das Kultbild sehen.

Als Alkmene ein Kind von Zeus erwartete, wurde Eileithyia von Zeus’ Gattin Hera dazu verpflichtet, die Niederkunft zu verhindern. Brennende Eifersucht war der Grund dazu. Sie hasste den Säugling Herakles nämlich von Anfang an, auch später noch, als er der klassische Held war. Eileithyia setzte sich vor Alkmenes Kammer und kreuzte Finger, Arme sowie auch die Beine. Damit war eine Geburt nicht möglich, und Alkmene litt sieben Tage lang Höllenqualen, weil sie nicht niederkommen konnte. Ihre Magd Galanthis aber merkte etwas und rief aus: „Das Kind ist da, es ist ein Knabe!“ Eileithyia sprang entsetzt auf, um zu sehen, wie das passiert sein konnte, löste dabei ihren Zauber und machte die Geburt des Herakles endlich möglich. Zur Strafe für den Betrug an der Göttin wurde Galanthis in ein Wiesel oder Ichneumon verwandelt.

An kaum einem anderen Ort ist man dem Weiblich-Göttlichen so nahe, ja kann es sogar berühren. Die Höhle an sich ist 63 m lang und bis zu 12 m breit, mehrere Stalaktiten weisen Spuren auf, die mit dem minoischen Pfeilerkult in Zusammenhang gebracht werden. Ein Stalagmit in Phallusform ist von einer Mauer umgeben, welche den gleichen Grundriss wie die sogenannten Kultbäder der Paläste hat. Bei zwei großen Stalaktiten im Hintergrund der Höhle gewährte ein Loch im Boden Zugang zu vier tiefer liegenden zusammenhängenden Kammern, die als Kulträume genutzt wurden, was Scherbenfunde beweisen. Später übernahm die Göttin Artemis viele Aspekte von Eileithyia, der Gestalt gewordenen „Geburtswehe“.

Nirgends spürt man deutlicher als in dieser Höhle, im „Mutterschoß der Erde“, welch wunderbare, göttliche Geheimnisse für die Menschen der Frühzeit Kretas Fruchtbarkeit, Zeugung und Geburt waren. Tatsächlich waren Höhlen und Haine – praktisch als Symbol für den weiblichen Uterus – Vorläufer der Tempel und damit unserer Kirchen. Die Säulen symbolisieren die Tropfsteine, das Kirchenschiff die Höhle. Wir haben jedenfalls der Göttin der Insel unsere Aufwartung gemacht. Nun stapfen wir geblendet von der hellen Sonne zurück ins Leben. Eine kleine Geburt sozusagen, die bestimmt auch Bestandteil der minoischen Kulte war. Die Sonne wärmt uns, Schafe blöken am Hang, der Baum beschützt wieder die Höhle. Schweigend und ergriffen setzen wir unsere Reise fort.

Quellen: Wikipedia, Radio Kreta,

3 Gedanken zu “Kretisches Kaffeetagebuch: die Höhle der Göttin

  1. Na dann pass auf, dass du nicht bald Papa wirst 😉 Welch seltsame Blüten (Aber)glaube doch treiben kann. Ein interessanter Ort ist es auf jeden Fall.

    Gefällt 2 Personen

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..