Die große 9-Euro-Ticket-Tour: Memmingen III

Bevor es zum Memminger Marktplatz geht, statte ich dem Hexenturm noch einen Besuch ab, auch bekannt als der schiefe Turm von Memmingen. Der Turm steht an der Nordseite der Altstadt zwischen dem Einlaß und dem Hafendeckelturm. Der rechteckige Turm besteht im Unterbau aus Tuffstein und im Oberbau aus Ziegel und besitzt ein Satteldach. Der Eingang befindet sich auf Höhe des alten Wehrganges circa fünf Meter über dem Boden.

Der Hexenturm ist der älteste noch erhaltene Stadtturm. Er stammt im unteren Bau aus der Gründungszeit der Stadt (um 1150). Der Oberbau stammt aus der zweiten Stadterweiterung im 14. Jahrhundert. Er ist einer von früher drei Gefängnistürmen. Durch ihn führte der Wehrgang zum nicht mehr vorhandenen Notzentor. Von diesem ging der Wehrgang weiter zum Kerkerturm, einem weiteren Gefängnisturm. Ob der Turm aus der Zeit der Hexenverfolgung seinen Namen hat, weil dort die Hexen eingesperrt wurden, ist nicht bekannt.

Das kleine Häuschen vor dem Hexenturm wird als Geräteschuppen des Bauhofes genutzt. Schade! Bestimmt ein cooler Platz zum Wohnen. Oder für ein Café. „Zum Hexenturm“ – klingt doch gut, oder? Allerdings hat der seinen Beinamen nicht umsonst: durch den sandigen Untergrund gibt das Fundament nach Nordosten nach. Im 20. Jahrhundert wurde versucht, mit einem Gegenfundament der Schräglage des Turms entgegenzuwirken. Zusätzlich ist er mit am Welfenhaus befestigten Drahtseilen abgesichert. Als ganz geheuer ist das Gemäuer nicht!

Da ist der Marktplatz doch solider. Hier reiht sich um den Marktbrunnen ein geschichtsträchtiges Gebäude an das nächste. Im Hintergrund der Kirchturm von St. Martin. Zwischen 1325 und 1500 wurde die Hauptkirche St. Martin erbaut. Sie gehört damit zu den ältesten und größten Baudenkmälern der Stadt. Sehenswert ist deshalb auch das Kircheninnere, in dem viele Kunstwerke und insbesondere das mehr 500 Jahre alte, geschnitzte Chorgestühl bewundert werden können. Aber auch mehrere gut erhaltene Fresken sind hier aus dieser Zeit zu sehen.

Auf der Nordseite das Steuerhaus, ein mittelalterliches Verwaltungsgebäude. Es beherbergte in den oberen Geschossen den Geheimen Rat und die Finanzverwaltung. Im Erdgeschoss befanden sich Läden. Das Steuerhaus steht zentral am Marktplatz und nimmt fast die gesamte Nordseite ein. Zu seiner Entstehungszeit war es ein profaner unverputzter Ziegelbau. Die heutige neobarocke Bemalung konnte 1909 aufgrund des Vermächtnisses der Bürgermeisterswitwe Rosa von Zoller vollendet und mit einer gemalten neobarocken Stadtansicht in der Mitte des Gebäudes versehen werden. 

Rechts daneben das Memminger Rathaus, ein mehrstöckiger Renaissancebau des 16. Jahrhunderts. Es setzt einen starken städtebaulichen Akzent und schließt den Marktplatz nach Nordosten ab. Es zählt zu den berühmtesten Bauwerken Memmingens. Um 800 soll auf dem Platz, auf dem das Rathaus steht, ein Heiliger namens Martin erschlagen worden sein. Die Vorderseite des Rathauses besitzt drei Eingänge, ein großes Tor, flankiert von zwei kleineren Eingangstüren. Durch das Tor konnten Fuhrwerke direkt in die große Halle des Rathauses fahren. Darüber steht die Jahreszahl 1589 für das Baujahr, über den beiden Türmen sind die vergoldeten Wappen des Geheimen Rates und der Reichsstadt angebracht. Über dem Tor befindet sich ein eckiger Erker mit einer mechanischen Uhr.

An der Ostseite dominiert die Großzunft. Zur Großzunft gehörten die Patrizier, die nach der Zunftrevolution im Jahre 1347 eine eigene Zunft, oder genauer Patriziergesellschaft, bildeten. Die erste Trinkstube der reichen Memminger Kaufleute entstand im Jahre 1453 an diesem Platz, nachdem die Patrizier nach der Zunftrevolution 1347 eine eigene Zunft, die Großzunft, gegründet hatten. 1718 bis 1719 musste sie dem Neubau weichen. Das Gebäude diente als Versammlungs- und Ballhaus für die Patrizier und Adeligen der Stadt und des Umlandes. Nach der Bayerischwerdung der Stadt 1804 und der damit einhergehenden Auflösung der Zünfte wurde auch die Gesellschaft zum goldenen Löwen aufgelöst. 1834 erwarb die Stadt das Haus und brachte dort verschiedene Ämter und Behörden unter. Heute befinden sich dort das Pass-, Ausländer-, Einwohnermelde- und Standesamt. Trauungen werden im benachbarten Memminger Rathaus durchgeführt.

Dem Rathaus vorgelagert ist der Marktbrunnen. Der Marktbrunnen hat in Memmingen eine lange Geschichte. Bereits bei Gründung der Reichsstadt verfügte der Platz über eine eigene Brunnenstelle. Im Jahr 1566 wurde erstmals ein größerer Brunnen aus Stein gebaut, welcher 1688 völlig erneuert wurde. 1847 wurde er entfernt. Da der Marktplatz ohne Brunnen leer erschien, wurde 1870 erneut ein Brunnen errichtet mit einer Marmorschale und der Figur eines Knaben, der auf einem Schwan reitet. Umrahmt wurde dieser Brunnen von kleinen Bäumchen. Die Anlage wurde aber bereits zwei Jahre später wieder entfernt. 1994 spendete die in Memmingen beheimatete Firma Magnet-Schultz der Stadt einen neobarocken neuen Marktbrunnen, der sich sehr harmonisch in das gesamte Ensemble einfügt.

Im Steuerhaus muss einst das erste Café am Platz gewesen sein. Heute befindet sich dort das Hamptons Cafe & Bar, ein Laden mit dem ich so gar nicht klar komme – und das nicht nur wegen der Preise. Das entsprechende Publikum und das Personal, dass mich 20 Minuten lang ignorierte, taten ihr Übriges. Leider warf das meinen Zeitplan gehörig durcheinander, weshalb ich unverrichteter Dinge wieder ging.

Ich hatte es nicht weit: gegenüber empfing mich eine Filiale der Bäckerei Brommler und ruckzuck hatte ich meinen Kaffee. Und die Aussicht war von hier auch besser. Gegründet 1878 in Memmingen steht die Bäckerei Brommler fest in Familienhand und fühlt sich seit mehreren Generationen handwerklicher Tradition als auch Konditorenkunst verpflichtet. „Brommler bietet Besonderes“, so das Motto. Eine gute Wahl, wie ich meine.

So hatte ich den tollen Blick über den Marktplatz und alle oben beschriebenen Gebäude vor mir, jetzt erleuchtet von der Abendsonne, die die Farben der Fassaden noch einmal erstrahlen ließ. So lasse ich die Menschen an mir vorüberziehen. Ein kurzer Moment des Innehaltens nach einem ereignisreichen Tag. Dann geht es schon wieder weiter.

Am Stadtbach entlang geht es Richtung Süden zum Weinmarkt. Die Kaffeerösterei Simon, direkt an der Memminger Ach gelegen, hatte leider geschlossen. Schade. Der Besuch dort war eigentlich fest eingeplant. Ein Grund mehr das „Tor zum Allgäu“ bald einmal wieder zu besuchen. So bleiben die letzten Eindrücke der Stadt der ins Abendlicht getauchte Bach.

Und wie geht es weiter? Diesmal mache ich mich nämlich noch nicht auf den Heimweg. Ganz im Gegenteil: über Ulm geht es weiter nach Biberach an der Riß. Beide Städte, Biberach und Ulm, stehen aber erst morgen auf dem Programm. Doch davon erzähle ich Euch im zweiten Teil der großen 9-Euro-Ticket-Tour.

Quellen: Wikipedia, memmingen.de, quermania.de, Memmingen Tourismus, brommler.de.

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