Pagondas liegt inmitten dichter Olivenhaine. Es gilt als das ladochori, das Öldorf der Insel. Das Dorf liegt ähnlich einem Amphitheater malerisch an den südöstlichen Ausläufern des Berges Bournias, der als südlicher Teil noch zum Ambelos-Gebirge gehört und bietet einen Panoramablick nach Osten über die Ebene von Chora und die angrenzende Ägäis. Früher war das Gebiet um Pagondas sehr waldreich, allerdings haben die zahlreichen Brände auf der Insel auch hier gewütet und den Baumbestand dezimiert.

An Stelle des Waldes traten später Olivenanpflanzungen, die heute einen großen Teil des Dorfgebietes ausmachen. Pagondas ist einer der Hauptproduzenten von Olivenöl der Insel Samos. An der Ortseinfahrt von Pagondas befindet sich eine alte Fabrik, wo die Oliven gepreßt werden und das Endprodukt abgefüllt wird. Sie ist wahrscheinlich die älteste von ehemals 65 Ölmühlen auf Samos. Weiterhin werden auch Orangen und Wein angebaut.

Der Ort zählt zu den ältesten Dörfern der Insel und wurde wie das benachbarte Myli in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts gegründet. Nach dem ältesten schriftlichen Zeugnis aus dem Jahr 1677 bestand das Dorf Pagondas aus nicht weniger als 300 Häusern und 2 Kirchen. Im Dorf wurde eine Seidenmanufaktur betrieben. Auch hier lässt sich der Bevölkerungsschwund erkennen: noch vor einhundert Jahren lebten hier noch über 2.600 Menschen. Heute bringt man es zusammen mit Ireo nur noch auf knapp 1.400 Einwohner.

Überragt wird der Ort von der aus dem Jahr 1872 stammenden Agia Triada, die Kirche der Heiligen Dreifaltigkeit. Um die Kirche herum verzweigen sich die engen Gassen und schalen Sträßchen. Wer den Ortskern erkunden möchte, der mach das am besten zu Fuß. Traditionell ist auch die Platia, der Dorfplatz gegenüber der ehemaligen Schule. Das schöne, alte Gebäude dient heute als Veranstaltungszentrum und Folkloremuseum. Auf dem Platz vor der alten Schule steht auch ein Denkmal, das den gefallenen Söhnen des Dorfes gewidmet ist.

Glaube ich meinem Reiseführer, dann ist die Platia Abend für Abend das Zentrum des dörflichen Lebens und auch die zahlreichen kirchlichen Feiertage, die das Alltagseinerlei durchbrechen, werden hier festlich zelebriert. Jetzt, am späten Nachmittag, haben sich nur wenige Dorfbewohner im Kafenio oder in der Taverne gegenüber eingefunden. Erst werde ich noch als Fremdkörper wahrgenommen, doch bald schon hat man sich an meine Anwesenheit gewöhnt.

Das Kafenio ist spärlich möbliert. Hier zählt nicht die Einrichtung, sondern die Menschen, Freunde, Nachbarn, die man hier trifft. Die Wirtin ist gerade mit Putzen beschäftigt und unterbricht nur widerwillig ihre Arbeit. Meine Kaffeebestellung auf Griechisch hingegen versöhnt sie mit dem Imstand, mich bedienen zu müssen und mein reichlich bemessenes Trinkgeld zaubert sogar ein dankbares Lächeln in ihr Gesicht.

Auch an den Nebentischen sitzt man bei einem Kaffee oder Frappé. Die Umsätze dürften sich hier in Grenzen halten, was auch den niedrigen Preisen geschuldet sein wird. Auch der Kiosk – früher Garant für steige Einnahmen – ist geschlossen. Das liegt nicht nur an der Nachsaison. Orte wie Pagondas existieren in ewiger Nachsaison und sterben langsam aus. Ich mache mich wieder auf den Weg. Die Straße schlängelt sich sanft hinab ist Tal und zum Meer. Nach einigen scharfen Kurven führt nach rechts ein besserer Feldweg direkt nach Ireon. Hier fällt mir ein Turm auf halben Weg nach Ireon auf: der Turm des Sarakini, in manchen Reiseführern falsch mit Sarazenerturm übersetzt.

Mit den Sarazenen hat dieses Bauwerk nämlich nichts zu tun. Der Turm ist das älteste Gebäude aus der Zeit der Wiederbesiedelung der Insel im 16. Jahrhundert und ist benannt nach seinem ursprünglichen Bewohner Nicholas Sarakinis. Der war ein Steuermann im Dienste des ottomanischen Admirals Kilic Ali Pascha, der ursprünglich Giovanni Dionigi Galeni hieß und ein italienischer Kapitän war, der in türkische Gefangenschaft und Sklaverei geriet, es aber zum Seehelden und Berater des türkischen Großadmirals Piyale Pascha brachte. Der Admiral ankerte im Jahr 1572 in der damals so gut wie unbewohnten Bucht von Ireon und war bezaubert von der Schönheit der Insel.

Zurück in der Heimat bat er den Sultan ihm die Insel zu überlassen, eine Bitte, die dem erfolgreichen Admiral kaum abzuschlagen war. Kilic Ali Pascha hatte mehrere siegreiche Seeschlachten gegen Europäer und Piraten geschlagen. Der neue Eigentümer der Insel begann damit diese wieder zu besiedeln, lud aber fast ausschließlich griechische Christen dazu ein, in dem er ihnen Land anbot, relative Unabhängigkeit von der Kontrolle der Osmanen und andere Vorteile. Unter den Begünstigten war auch sein langgedienter Steuermann Sarakinis, der sich vermutlich von Handwerkern aus Patmos im Jahr 1577 diesen wehrhaften Wohnturm errichten ließ.

Im ersten Stock gab es zwei Kanonenluken, eine nach Norden und eine nach Süden, der zum Wohnen gedachte zweite Stock wurde mit einem Malteser-Kreuz verziert. Nachweislich errichteten die Bauleute aus Patmos 1602 im gleichen Stil, wie den Turm auch die beiden Zwillingskirchen Agois Ioannis und Agios Georgios in der Nähe. Nach Sarakinis Tod wurde der Turm an das Kloster St. Johannes auf Patmos vererbt, dem er noch heute gehört. Leider ist er der Öffentlichkeit nicht zugänglich.

Noch wenige Meter, dann erreiche ich Ireon. Mit den letzten wärmenden Strahlen der Abendsonne, die den kleinen Fischerort in goldenes Licht taucht. Das Abendessen wartet. Trotzdem: eine schöne Tour geht zu Ende. Doch einen Urlaubstag habe ich noch vor mir!
Quellen: Wikipedia, samosin.gr, insel-samos.net, Marco Polo.
Das Phänomen der aussterbenden Dörfer ist vielerorts zu beobachten. Ich weiß nicht, ob sich der Trend mal umkehren wird, manche Kommunen versuchen wieder, Menschen das Landleben schmackhaft zu machen. Und um ehrlich zu sein, diese Ruhe und Abgeschiedenheit, der Gedanke an das langsame Leben hat auch etwas Reizvolles. Nur reicht es vielen Menschen eben auf Dauer nicht mehr aus…
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Es gibt keine Jobs mehr auf dem Land, zumindest keine gut bezahlten. Die Menschen zieht es in die Städte. Und wer in der Stadt arbeitet, der will dann auch da wohnen. Außerdem sind viele der Häuser nicht wirklich wohnlich. An fließend Warmwasser und Strom mangelt es gelegentlich. Statt zu sanieren zieht man dann lieber in die Stadt!
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