Samiotisches Kaffee-Tagebuch: am Ende der Welt

Ich folge der Hauptstraße von Koumaradei über Pyrgos bis nach Agii Theodori, dem nördlichsten Punkt meiner heutigen Tour. Von dort nehme ich Richtung Südwesten die frisch ausgebaute Straße nach Marathokambos. Die Kreisstadt war früher einmal sehr reich. Der frühere Wohlstadt der im 16. Jahrhundert gegründeten Stadt, kam von den Erträgen der damals sehr zahlreichen Ölbäume, sowie von dem kleinen Hafen etwas unterhalb der Stadt. Von allen Kreisstädten auf der Insel ist Marathokambos nämlich als einzige kein Hafen, sondern liegt etwa vier Kilometer oberhalb des Hafens.

Dominiert wird der Ort von der Kirche Panagia Myrtidiotissa, ein hoher, braungrauer Steinbau, der von einer hellblauen Kuppel und zwei ebenso hellblauen Türmen überragt wird. Vor dem stahlblauen Meer im Hintergrund ein toller Blick! Heute leben noch etwa 1.900 Menschen hier, Tendenz fallend. Eben weil der Tourismus hier fehlt, ist das stille, wie ein antikes Theater am Hang klebende Dorf in seiner Ursprünglichkeit erhalten geblieben.

Etwas lebendiger geht es da unten im Hafen von Ormos Marathonkambou zu. Der spärliche Tourismus der Kreisstadt scheint sich hier zu konzentrieren. Hier leben noch etwa 200 Menschen ganzjährig – Saisonkräfte und Besucher nicht mitgerechnet. Der Hafenort mit wurde aufgrund der Infrastruktur und Bademöglichkeiten vom westlich gelegenen Kambos als touristisches Zentrum der bis 2010 bestehenden Gemeinde Marathokambos abgelöst. Während der Sommersaison verkehren Ausflugsboote nach Pythagorio und zur kleinen Insel Samiopoula.

Am Hafen gibt es einen der wenigen Supermärkte dieser Gegend, einige reizvolle Tavernen reihen sich einladend entlang des Hafenbeckens auf. Doch hat der Ort unverkennbar seine besten Zeiten als Fähr-, Handels- und Fischereihafen hinter sich. Weiter geht es entlang des Meeres durch Kambos und Psili Amos, einer der wenigen Sandstrände auf Samos. Dementsprechend hat sich hier der Fremdenverkehr entwickelt, wie überall und austauschbar. Tavernen, Imbissbuden und Souvenirshops in Reih und Glied.

Kurz nach Psili Amos wendet sich die Straße wieder Richtung Berge. Hier zweigt der Weg nach Limnionas ab, ein kleiner Ort, der sich in einer bildschönen Bucht erstreckt, geschützt durch eine Halbinsel im Süden. Bis hierher hat sich der Gästeandrang nur halbherzig durchgeschlagen, auch wenn im Olivenhain oberhalb des Strandes inzwischen die ersten Quartiere errichtet werden. Das Silbergrün de Olivenbäume wird aber hier noch für eine gute Weile das Bild bestimmen.

Der Sand- und Kiesstrand misst etwa 500 Meter. An dessen Südende gewinnt die schmale Straße schnell an Höhe. So schnell, dass sogar meine 125er fast an ihre Grenzen kommt. Hier liegt die Taverne, die, so zahlreiche Einträge im Internet, am Ende der Welt liegt. Ich habe einen Blick auf die Fortsetzung des Weges geworfen. Meinem Roller würde ich das nicht zumuten. Ich wende mich da lieber der Taverne zu, die in Wahrheit nicht „zum Ende der Welt“, sondern Epiouzion heißt.

Epiousios ist ein griechisches Adjektiv, das im Vaterunser-Vers „Τὸν ἄρτον ἡμῶν τὸν ἐπιούσιον δὸς ἡμῖν σήμερον“ verwendet wird. Da das Wort nirgendwo anders verwendet wird, ist seine Bedeutung unklar. Es wird traditionell mit „täglich“ übersetzt, aber die meisten modernen Gelehrten lehnen diese Interpretation ab. Ich würde es eher als „einmalig“ bezeichnen, den der Blick über Bucht und Meer sucht seinesgleichen. Die Taverne selbst erinnert in ihrer Bauweise stark an die Architektur, wie sie in den Kykladen anzutreffen sind.

Ich suche mir einen schönen Platz auf der Terrasse und begieße das erreichen des Endes der Welt mit einem Frappé. Tatsächlich bin ich gerade am westlichsten Punkt meiner Tour, ja meiner gesamten Reise. Noch genieße ich die Aussicht und die leichte Brise, die vom Meer kommt und all seine Gerüche mit sich führt. Fast bedauere ich es angesichts der einladenden Karte, dass ich nicht zum Abendessen bleiben kann. Aber eines ist gewiss: heute werde ich mich rechtzeitig auf den Rückweg machen!

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