Auf dem Rückweg von den Stadtmauern sehe ich mir noch ein weiteres Baudenkmal an: den Eupalinos-Tunnel, zumindest den frei einsehbaren antiken Eingang. Der Tunnel ist nach seinem Architekten Eupalinos von Megara benannt, dessen Name vom griechischen Historiker Herodot der Nachwelt überliefert wurde. Viel mehr ist über den genialen Baumeister und Architekten nicht bekannt. Der Tunnel ist der nämlich erst zweite bekannte Tunnel in der Geschichte, der im Gegenortvortrieb gebaut wurde, und der erste, bei dem dies nach einem sorgfältig ausgearbeiteten Plan geschah. Mit 1036 Metern Länge war der Eupalinos-Tunnel zudem der längste Tunnel seiner Zeit.

Grund für den Tunnel war der Bau einer Wasserleitung zur Versorgung der Stadt Samos. Zwei Dinge musste der Baumeister Eupalinos mit größtmöglicher Genauigkeit bestimmen, damit sich die beiden Mannschaften im Berg trafen: das Niveau der Eingänge und die Vortriebsrichtung. Beide Probleme wurden von Eupalinos auf meisterliche Art und Weise gelöst, wie die Ausführung des Tunnels verrät. So weist der Tunnelboden am Verbindungspunkt vom Nord- und Südstollen nur einen Höhenunterschied von 60 Zentimetern auf, was im Verhältnis zur Tunnelgesamtlänge einer Differenz von weniger als 0,125 Prozent entspricht. Heutige Ingenieure träumen von so einer Präzision.

Das Problem beim Tunnelbau von zwei Seiten her besteht in der akkumulierten Messungenauigkeit, die angesichts der Länge des Tunnels sehr leicht dazu führen kann, dass sich die beiden Stollen im Berg verfehlen. Einfach, aber effektiv war die Methode, mit der Eupalinos das Zusammentreffen der beiden Stollen sicherstellte. Indem er beide Vortriebe auf den letzten Metern gemeinsam scharf nach Osten abbiegen ließ, wirkte er der Gefahr entgegen, zwei parallele Stollen zu graben, und machte einen Schneidepunkt unvermeidbar, sofern sich beide Stollen auf dem gleichen Niveau befanden, was der Fall war.

Als ich dort eintreffe, ist der begehbare Teil des Tunnels bereits geschlossen. So, wie sich der Eingang präsentierte, wohl nicht nur zu dieser Zeit. Die Tücken der Nachsaison. Einen Blick hinein kann ich trotzdem werfen. Und ob der klaustrophobischen Enge darin, genügt mir das auch. Vielleicht gebe ich mir das bei einem zukünftigen Besuch auf Samos.

Viel lieber wende ich den Blick zurück nach Pythagorio, zur kleinen Festung und zum Hafen. Und ich versuche mir vorzustellen, wie die antike Stadt dereinst ausgesehen haben muss. Klar ist vor allem eines: sie muss gigantisch gewesen sein. Nicht nur für die damaligen Verhältnisse. Und ein Platz für einen tollen Sonnenuntergang ist hier oben auch…

Quelle: Wikipedia, Dumont Reisen.