„Es ist etwas Großes […,] wenn man bedenkt, daß, damit ich hier in aller Ruhe meinen Tee schlürfen und du deine Pfeife rauchen kannst, der fleißige Chinese in jenem fernen Lande für uns pflanzt und der Neger für uns unter der Tropensonne arbeitet. […] die großen Dampfer durchbrausen für uns […] den mächtigen Ozean und die Karawanen ziehen durch die brennende Wüste. Der stolze millionenreiche Handelskönig, der in Hamburg in einem Palast wohnt […], muß uns einen Teil seiner Sorge zuwenden, und wenn ihm Handelskonjunkturen schlaflose Nächte machen, so liegen wir behaglich hingestreckt und träumen von schönen Dingen, und lassen ihn sich quälen, damit wir zu unserem Tee und unserem Tabak gelangen.“
So beschreibt Heinrich Seidel im Kapitel „Usambara-Kaffee und Kamerun-Kakao im Kolonialwarenhandel“ des Buches „Mit Deutschland um die Welt“ die schöne, bunte Kolonialwaren-Welt zur Jahrhundertwende. Dies Zitat mag als Beispiel einer Geisteshaltung gelten, wie sie im Kaiserreich gang und gäbe war, zu einer Zeit also, als Deutschland Kolonien hatte und gerne unter Großmannssucht litt. Kaffee, Kakao, Tee, Südfrüchte und einiges andere erstand man im Kolonialwarenladen, mit den hinzugewonnen Untertanen ging man wenig pfleglich um. So mag es einleuchten, dass für den Geist der wilhelminischen Ära in unserer aufgeklärten und liberalen Zeit kein Platz mehr ist. Doch nicht umsonst wird diese Periode auch Gründerzeit genannt, begründet sich doch ein Gutteil unseres Wohlstandes daraus – zum Teil bis heute.
So unbeschwert der Umgang mit Darstellungen von Afrikanern oder Asiaten während der Episode deutscher Kolonien war, so restriktiv ist er heute: im Mohrenkopf, im Negerkuss, überall wittert man Rassismus. Auch der Sarotti-Mohr musste 2004 zum „Magier der Sinne“ umschulen. Oder das Firmenlogo der Mainzer Dachdeckerei Thomas Neger, vor dem zweiten Weltkrieg gegründet von Ernst Neger, dem Großvater des heutigen Inhabers. Das Logo geriet 2013 nach über 60 Jahren in den Ruch rassistisch zu sein. Es zeigt, in Anlehnung an ihren Nachnamen, einen stilisierten Handwerker mit dicken Lippen und großen Ohrringen über einem Dreieck, das ein Dach, aber auch einen Rock darstellen könnte. Thomas Neger – er sitzt seit 2009 für die CDU im Mainzer Stadtrat – weist diese Kritik von sich und pocht darauf, dass das Logo wie auch der Name in Mainz seit Jahrzehnten Tradition haben.
Jetzt hat es eine alteingesessene Rösterei erwischt. Im Jahre 1883 gründete der junge Kaffeeliebhaber Wilhelm Machwitz die Firma Machwitz Kaffee als „Erstes Danziger Konsumwarengeschäft“. Später verlegte man den Firmensitz nach Hannover. Markenzeichen des Geschäfts sind drei Mohren, beziehungsweise afrikanische Kaffeepflückerinnen, die freundlich lächeln. 2017 berichteten Medien über eine öffentliche Diskussion, ob die „Machwitz-Mohren“ auf dem Firmenlogo eine rassistische Konnotation aufweisen, nachdem der Afrikanische Dachverband Norddeutschland e. V. die drei dunkelhäutigen Figuren im Logo als „entwürdigend“ bezeichnet hatte. Angeheizt wurde der Konflikt, als zum Jahresende seitens des afroamerikanischen Amerikanistik-Dozenten der TU Braunschweig Kenton Emery Barnes dem Hannoveraner Traditionsunternehmen in Bezug auf sein Firmenlogo die Verunglimpfung dunkelhäutiger Menschen vorgeworfen wurde. Die Kaffeerösterei hingegen sagt, sie hätten das Logo seit ihrer Gründung 1883 aus Tradition beibehalten. Es stelle ein Relikt aus der Deutschen Kolonialzeit dar, als Kaffee noch exotisch war.
Hierzu äußert sich der CDU-Vorsitzende des Stadtbezirks Hannover Südstadt-Bult und Sohn eines Gambiers Jesse Jeng, dass auch er in dem Logo keine herabwürdigende Absicht erkennt. „Das Bild zeigt in erster Linie lachende schwarze Arbeiterinnen, wie sie in der Vorstellung von Westeuropäern des 19. Jahrhunderts vorherrschten. Der einzig legitime Kritikpunkt könnte nun aus der Perspektive geäußert werden, ob die Arbeitsbedingungen von afrikanischen Arbeiterinnen im Kaffeeanbau in Afrika glückliche Arbeiterinnen produziert haben oder produzieren.“ Daher belustige ihn das Logo von Machwitz Kaffee in seiner schlichten Darstellung von afrikanischen Arbeiterinnen eher, als das es verletzt.
Es schadet nicht die Rolle Deutschlands während der Kolonialzeit kritisch zu überdenken. Deshalb in jeder bildlichen Darstellung, die die Zeit überdauert hat, Rassismus, Entwürdigung und Verunglimpfung zu vermuten, ist des Guten zu viel. 130 Jahre lang blieb das Logo der Kaffeerösterei Machwitz unbeanstandet. Jetzt dem Unternehmen Rassismus vorzuwerfen lenkt von den wirklichen Problemen in der Kaffeewirtschaft ab. Zum Beispiel das Hedgefonds die traditionellen Kaffeeanbaugebiete in Südamerika, Asien oder Afrika wie ihre Kolonien behandeln, dass Kaffeebauern von Konzernen oder durch spekulationsbedingte Kursschwankungen in den Ruin getrieben werden oder wenn Großkonzerne meinen, dass man den Ländern der Dritten Welt weiterhin die Preise diktieren darf. Die Rassismusdebatte über ein Firmenlogo löst keines dieser Probleme, fair gehandelten Kaffee kaufen aber wenigstens zum Teil.
Die Rösterei Machwitz Kaffee erhielt bereits 2001 die Zertifizierung nach Bio und Fairtrade Standard. Außerdem ist das Unternehmen Mitglied bei Slow Food. Der Verein tritt für die biologische Vielfalt ein, fördert eine nachhaltige, umweltfreundliche Lebensmittelproduktion, betreibt Geschmacksbildung und bringt Erzeuger von handwerklich hergestellten Lebensmitteln auf Veranstaltungen und durch Initiativen mit Verbrauchern zusammen. Seit etwa 2020 wird an den Firmensitzen ein neues Logo ohne „Machwitz-Mohren“ gezeigt während es auf der Homepage des Unternehmens weiterhin verwendet wird.
Bildrechte: obs/GEPA mbH/GEPA/C. Nusch, gemeinfrei, gemeinfrei, Thomas Neger GmbH, AxelHH/wikipedia.org, Tchibo, Marco2811/fotolia.com, Quellen: springer.com, wikipedia.de, tagesspiegel.de, machwitz-kaffee.de, jesse-jeng.de, haz.de.
Zu den Darstellungen bin ich zwiegespalten. Zeigen oder nicht zeigen? Ob eine stilisierte „Mohren“-Darstellung aus der Kolonialzeit verletzend ist oder nicht, sollen daher lieber Menschen entscheiden, die es betrifft. Indem so viele Weiße versuchen, aus ihrer Position heraus für dunkelhäutige Menschen zu sprechen – was sicher gut gemeint sein mag – wird in erster Linie von den wichtigen Problemen abgelenkt. Bei diesem Punkt bin ich ganz bei dir. Irgendwie haben wir uns seit einiger Zeit darauf spezialisiert, „Gleichberechtigungskosmetik“ zu betreiben, ob es denn das Gendern ist oder eben die kolonialen Bilder/Bezeichnungen. Ob das irgendwelche Probleme löst oder tatsächlich für mehr Gleichwertigkeit sorgt, wage ich zu bezweifeln. Denn die Ungleichheit an der Wurzel anzugehen ist viel komplexer und nicht einfach mit Aktionismus zu schaffen.
Liebe Grüße
Kasia
LikeGefällt 1 Person
Von Rassismus über kulturelle Aneignung bis hin zu Wokeness – in diesen Zeiten wird sich gerne über irgend etwas aufgeregt. Ob zu recht oder unrecht scheint da fast Nebensache. Manche Dinge müsste man in ihrem zeitlichen Kontext betrachten, doch dazu scheint heute keiner mehr fähig. Jahrhundertelang haben Kindern Märchen gehört – jetzt werden sie „entschärft“ oder „Kindgerecht“ gemacht. Dadurch werden sie aber ihrer Funktion beraubt, nämlich Kinder auf das Leben vorzubereiten. Schmunzeln musste ich allerdings, als in in Pullach – ein Vorort von München – einen „Kolonialwarenladen“ entdeckt habe, der Produkte aus Südtirol verkauft. Mit einem gebe ich Dir recht. das meiste ist reine Kosmetik. Würden die Frauen dadurch auch den gleichen Lohn bekämen, wie ihre männlichen Kollegen, würde ich gendern. Wenn Afrikaner von der Kolonialismus-Diskussion so profitieren würden, dass sich dadurch ihre Lebensbedingungen verbessern, könnte ich mich dafür begeistern. So bleibt nur eines übrig: die Aufregung! Die dann unter anderem dazu führt, dass Kaffeeröster oder Apotheker angefeindet werden oder ein weißer Reggae-Sänger in der Schweiz kaum noch auftreten kann. Alles Blödsinn. Und heiße Luft…
LikeGefällt 1 Person
Du hast Recht, im Großen und Ganzen sehe ich das genauso.
LikeGefällt 1 Person
Impressive story !
LikeGefällt 1 Person