Samiotisches Kaffee-Tagebuch: das beste Stifado Griechenlands

Vor 30 Jahren ging Reisen noch irgendwie anders. Meine erste Frau und ich planten unsere erste gemeinsame Reise zusammen mit unserem erste Sohn. Ich arbeitete in einem Auktionshaus und verdiente – nicht zuletzt dank zahlreicher Überstunden – gar nicht so schlecht. Vor der Reise liehen wir uns Reiseführer in der Bibliothek aus und schmökerten. In einem dieser Reiseführer, geschrieben übrigens von einem Münchner, war vom besten Stifado Griechenlands die Rede. Und das sollte es auf Patmos geben.

Patmos ist eine eher schmale Insel, an der schmalsten Stelle vielleicht 300 Meter breit und teilt sich so in einen nördlichen und einen südlichen Teil. An der Engstelle ist der Hafenort Skala, die Hauptstadt Chora liegt etwa in der Mitte des südlichen Inselteils und etwas erhöht. Die italienischen Besatzer hatten die Verwaltung hierher verlegt und hier ist auch das berühmte Johanneskloster mit seiner bedeutenden Bibliothek und seit 1999 als UNESCO-Weltkulturerbe. Im Nordteil der Insel liegt als einziger größerer Ort Kampos und hier führte mich der Reiseführer hin.

Während ich unbedingt die Insel erkunden wollte, stand der Familie mehr der Sinn nach Baden und Sonne. Mit dem Leih-Roller brachte ich sie zum Agriolivadi Beach, einer der schönsten Strände der sonst recht kargen Insel. Ich selbst folgte den Anweisungen des Reiseführers: Straße Richtung Norden, bis zum nächst größeren Ort, Dorfplatz in der Mitte suchen, sich in die Taverne mit den Tischen unter dem großen Baum setzen. Stadt einer Karte standen die Gerichte mit Kreise geschrieben auf einer großen, schwarzen Tafel an der Hauswand – doch Stifado war nicht dabei.

Zum Essen war es eh viel zu früh, weshalb ich mir einen griechischen Mokka bestellte – metrio parakallo! – und mir eine Karelia gönnte. Dann fragte ich den Wirt nach Stifado. Der fragte zurück, warum ich mich gerade nach Stifado erkundigen würde und ich entgegnete ihm, ich hätte in einem Reiseführer gelesen, hier gäbe es das beste Stifado Griechenlands. Er lachte und sagte ich solle morgen Abend wiederkommen, denn ein richtiges Stifado braucht immer 24 Stunden zum Marinieren! Da würde ich aber meine Familie mitbringen…

Gesagt, getan. Am nächsten Abend fanden wir uns zu einem wirklich sehr, sehr leckerem Stifado ein, ein Nachtmahl, zu dessen Abschluss ich mir einen Ouzo und einen letzten Mokka gönnte. Dann wollte ich zahlen, was der Wirt verneinte. Er erklärte mir, vor Jahren wäre ein Deutscher bei ihm gewesen und hätte ihm erzählt, dass er an einem Reiseführer schreibt. In dem würde er schreiben, dass es hier, in der Taverne in Kampos, das beste Stifado Griechenlands geben würde.

Er nahm damals an, dass er es ihm deshalb erzählen würde, um nicht zahlen zu müssen. Weshalb er ihn auch bezahlen ließ. Jetzt komme ich und erzähle ihm, dass die Geschichte war ist. Ihn kann er nicht mehr einladen, weshalb er jetzt mich, den Boten, einladen müsse, damit die Welt wieder im Gleichgewicht ist. Damals wusste ich nicht, dass ich eines Tages einen Blog schreiben werde. Wer also nach Patmos kommt, der könnte ihm ja von dieser Geschichte erzählen. Ob es dafür noch einmal eine Gratis-Portion gibt, das kann ich nicht versprechen. Schließlich ist die Welt ja gerade ausgeglichen.

Ich habe es mir natürlich bei meinem jetzigen Besuch auf der Insel nicht nehmen lassen, nach genau diesem Wirt zu suchen. Der Ort Kampos war schnell gefunden, ebenso die Taverne, es ist die linke Taverne am Dorfplatz und die mit der Schiefertafel als Speisekarte. Jetzt musste es nur noch der selbe Wirt sein. Als ich ihn fragte, seit wann er hier am Ort sei, sagte er 42 Jahre. Da habe ich eine Geschichte für ihn, meinte ich und begann von meinem letzten Besuch zu erzählen. Schon nach wenigen Sätzen erkannte er mich: „Ach, du bist der mit dem Buch?“

Ein Stifado war auch diesmal nicht auf der Karte und das würde ich auch heute nicht bekommen – wir erinnern uns: es braucht 24 Stunden zum Marinieren! – trotzdem bin ich abends zum Essen wiedergekommen. Ich habe mich für das lokale Lamm in Zitronensauce entschieden und habe meine Wahl nicht bereut. Und leider ging es am nächsten Tag für mich schon wieder zurück nach Samos. Also muss ich mich noch etwas gedulden. Aber wir haben vereinbart, dass ich in zwei Jahren wieder nach Patmos komme, mich diesmal aber vorher anmelde. Und dann werde ich es wieder serviert bekommen, das beste Stifado Griechenlands.

Taverna Panagos, Kampos, Patmos, Dodekanes, Griechenland; +30 22470 31570, taverna.panagos@gmail.com, Facebook: Taverna.Panagos.

5 Gedanken zu “Samiotisches Kaffee-Tagebuch: das beste Stifado Griechenlands

  1. Wie schön, dass deine Geschichte eine Fortsetzung bekommen hat,
    lieber Tom. Wäre die Geschichte ein Buch, würde es wohl heißen “Der Wirt, der die Welt wieder ins Gleichgewicht gebracht hat.” Hoffentlich gibt es noch einen dritten Teil in 2 Jahren. 😉 Ich bin gespannt.

    Gefällt 3 Personen

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