Griechische Kaffee-Erinnerung: Kalymnos

Es ist Sonntag Morgen und ich bin müde. Trotz der frühen Stunde wird es schon heiß langsam und der warme Aufwind trägt mir den Geruch von Salzwasser und Meer durch die offene Terrassentüre. Von Zeit zu Zeit summt der Kühlschrank, ein paar Vögel zwitschern, von Ferne tönt Hundegebell. Und dazwischen, wie aus einer anderen Sphäre, ganz zart die liturgischen Gesänge orthodoxer Priester oder Mönche. Ach ja, ist ja Sonntag heute… BUMM!

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Am Vortag erst war ich mit der Dodekanisos Pride, dem Stolz der Dodekanisos Seaways, auf der Insel gelandet. Kaum zu glauben: Nur wenige Seemeilen von Kos entfernt, bietet Kalymnos ein völlig anderes Bild! Und es ist mehrere Grad heißer als auf dem ungleich größeren Nachbarn. Der Hafen von Kalymnos gehört zur einzigen größeren Stadt der Insel Póthia. Die Häuser von Pothia erinnern an Symi, kein Zufall, waren es doch Gast-Schwammtaucher der ebenfalls naheliegenden Insel, die sich hier angesiedelt und mitgebaut haben. Pastellfarbene Häuser reihen sich entlang der belebten Uferpromenade. Und auch die italienischen Besatzer haben mit Gebäuden im venezianischen Stil der Insel ihren kulturellen Stempel aufgedrückt. Die drittgrößte Stadt der Dodekanes ist übrigens auch im Winter belebt.

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Über den von italienischen Besatzern gebauten Schiffsanleger – bis zum Zweiten Weltkrieg war Kalymnos wie andere Inseln auch italienische Kolonie – gelangt man sogleich in das Zentrum des Hafens, die Uferstraße, an der sich tagsüber und abends das Leben abspielt. Hier sind die Restaurants und Cafés und die meisten der wenigen Hotels der Insel. Der Großteil der Touristen kommt mit den Ausflugsbooten – und verschwindet auch wieder mit ihnen. Den Roller hatte ich auf der Fähre mitgenommen. Also rollerte ich gleich los in etwa dorthin, wo ich mein Hotel vermutete – und in die Irre. Da, wo ich meinte langfahren zu müssen, war eine Einbahnstraße in entgegen gesetzter Richtung. Auf Google Maps sah das einfacher aus. Sich durchzufragen war ein schwieriges Unterfangen. Klar, dieses Gewirr von Straßen, Gassen und schmalen Durchgängen in dem Hafenort ist nicht leicht zu beschreiben.

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Zuerst fragte ich im Ciao Café an der Hafenpromenade. Der Wirt schickte mich weiter zu einer Pizzeria am Hauptplatz. Der Pizzabäcker schickte mich in das Labyrinth der Altstadt und meinte, ich solle dort nochmal jemanden fragen. Doch mit Glück entdeckte ich einen Wegweiser in der Größe einer Tafel Milka-Schokolade zum Hotel Panorama, meinem Übernachtungsplatz für die Nacht. Da muss ich rauf? Im Ernst jetzt? Etwas steiler und die Straße braucht Sprossen! Aber mein braver Roller brachte mich den steilen Weg nach oben. Der Hotelier fragte mich nach meiner Ankunft, warum ich nicht den sanfteren Anstieg gegen die Einbahnstraße gewählt hätte. Den parkenden Autos zufolge ist das Usus.

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Jetzt wollte ich die Insel erkunden. So habe ich das Kastell Chrysocherias erstiegen, was weit über der Stadt thront und einst dem Johanniterorden gehörte. Dann am Flughafen vorbei und den Blick über Mirties, Masouri und die kleine Nachbarinsel Telendos genossen. Weiter die Küste hinauf an der Festungsruine Kastello vorbei bis Arginonta und nach kurzer Stärkung mit gegrilltem Käse über die Passstraße nach Vathis und zurück zum Hafen. Die Straßen auf Kalymnos sind besser als auf Kos. Vor allem wurde hier mehr Split zugesetzt, so dass die Fahrbahn mehr Grip hat. Hier macht Rollerfahren richtig Spaß und der Verkehr ist so gering, dass man mit seinem 50 bis 60 km/h hier niemandem im Weg umgeht. Genug Koffein hatte ich ohnehin noch im Blut!

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Nach dieser Rundtour ließ ich es langsamer angehen. Für morgen standen noch einige Cafés auf dem Programm, also habe ich in der Altstadt noch lecker zu Abend gegessen. Dann ging es wieder hinauf zum Hotel Panorama – zu Fuß diesmal, denn mir stand der Sinn in diesen Stunden nach Wein. Das Hotel trägt seinen Namen völlig zu Recht: es thront auf einer Anhöhe links oberhalb des Hafens. Póthia liegt in einer Art Trichter mit der breiten Seite am Meer, rechts und links flankiert von Bergen. Von einer der Hotelterrassen aus hat man einen fantastischen Blick über Hafen und Talkessel und das tagsüber wie nachts.

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Sonntag Morgen, die orthodoxe Liturgie wird abgelöst von einer Art Choral. Die Kirchengemeinde scheint einen Gottesdienst zu feiern. Die Kirchenlieder sind wohl nach der modalen Tonleiter gesetzt, was sie etwas fremd, fast exotisch klingen lässt. Wie aus einer anderen Zeit… BUMM! Ein Kanonenschlag reißt mich aus meinen Gedanken. Habe ich das etwa geträumt? BUMM! Die Fenster klirren wie auch mein Glas auf dem Nachttisch. BUMM! Ich taumle auf die Terrasse und erwarte vor der Küste einen türkischen Zerstörer zu sehen, dessen Geschütze die Hafenanlagen unter Feuer genommen haben.

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Nein, dass war keine Sylvester-Knallerei! Das waren auch keine Böllerschüsse, wie zur Eröffnung des Oktoberfestes. Offenbar hat die Türkei gerade Griechenland den Krieg erklärt. Nahe genug dran am türkisches Festland wären wir ja. BUMM! Eine Terrasse höher steht der Hotelbesitzer und lacht. Offenbar bemerkt er meine Verwirrung. „It’s a wedding“, verrät er mir. Und ja, man verwendet für die zwölf Salutschüsse echte Kanonen. So hört sich das also an. Beeindruckend.

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Auf meinen offensichtlichen Schrecken hin spendiert er mir einen griechischen Kaffee, den ich in aller Ruhe auf der Terrasse vor meinem Zimmer trinke. Jetzt weht der Wind fetzen von Jubel herauf. Der Gottesdienst ist wohl zu ende und auch der Pulverdampf mag sich verzogen haben. Der Kaffee ist Süß und bitter. Ein paar Krümel Kaffeesatz spüle ich mit eiskaltem Wasser aus meinem Kühlschrank herunter. Mein Herzschlag scheint sich wieder zu normalisieren, das Koffein verdrängt das Adrenalin aus meinen Adern und der Schrecken weicht sanfter Entspannung. Ich spüre die Sonne auf meiner Haut und einen sanften Wind vom Meer. Schade, dass es heute Nachmittag schon wieder zurück nach Kos geht. Jetzt aber erstmal ein griechisches Frühstück…

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