Griechische Kaffee-Erinnerung: Samos

Zurück von Patmos galt es nun die Insel des Pythagoras zu erkunden. Der Philosoph und Mathematiker brachte uns nicht nur die Tonleiter, sondern auch einen ganz bestimmten Satz, an dem bis heute kein Schüler vorbeikommt. Kein Wunder, dass nach dem berühmtesten Sohn der Insel auch ein Ort benannt ist: Pythagoreio. Auf denTipp eines Arbeitskollegen hin, der fast zeitgleich auf der Insel Urlaub machte, ließen wir uns hier nieder.

Etwas, was für mich immer einen Urlaub ausmachte, war fremdes Geld! Österreichische Schillinge, Schweizer Franken, italienische Lira oder spanische Pesetas, je bunter desto besser. Die Kurse mancher Sorten brachten es mit sich, dass man in manchen Urlaubsländern mit wahren Geldbündeln durch die Gegend zog. Die Wechselkurse schienen in Stein gemeißelte : DM – Franken, 1,10:1, DM – Schilling 1:7, DM – Franc 1:3, DM – Lira (gefühlt) 1:1.000. Einen Espresso in Florenz mit einem Stapel Scheine zu bezahlen – unvergesslich!

Umso schöner fand ich es, dass man in Griechenland praktischer Weise eine Geldschein quasi fast nur für eine Tasse griechischen Kaffee hatte, nämlich den 50-Drachmen-Schein. Der 5.000-Drachmen-Schein war für eine Übernachtung zu dritt, die etwa mit 4.500 bis 4.800 Drachmen zu Buche schlug. Schlimmstenfalls bekam man einen Stapel Kaffee-Scheine zurück. Für 500 Drachmen bekam man einen Snack, für 1.000 Drachmen ein Abendessen, zumindest damals. Es gab noch einen orangenen und etwas zu klein geratenen 200-Drachmen-Schein, aber der kam mir kaum unter und wenn, dann kam er mir vor wie Monopoly-Geld. Der rote Hunderter war da schon häufiger, um genau zu sein der häufigste Schein im Zahlungsverkehr.

Zu Beginn der Reise hatte ich in meinem Reise-Backgammon einen ganz anschaulichen Stapel 5.000-Drachmen-Scheine, der nun beständig aber berechenbar im sinken begriffen war. Je nach dem Angebot an kleinen Scheinen in meiner Geldbörse wurde das Backgammon von Zeit zu Zeit geöffnet und ein weiterer Schein entnommen. Der reichte dann wieder für eine weitere Übernachtung oder einen weiteren Tag.

Zurück zur Insel: inzwischen auf den Geschmack gekommen, wollte ich nun auch Samos mit dem Roller erkunden. Ohne Führerschein bekam ich mit Hängen und Würgen eine 50er. Eigentlich. Mit der, einer hochgetunten Honda Lead, wollte ich samt Familie einmal rund um die Insel. Da wir Samos-Stadt ja schon kannten, schwebte mir für den ersten Teil eine prima Abkürzung vor, zumindest sah das auf meiner Karte so aus. Weniger vertrauenerweckend war allerdings das Gefährt. Die Kupplung schleifte und der Vermieter fuhr uns noch hinterher um uns zu sagen, dass die Tankanzeige kaputt sei und ich dringend Öl nachfüllen sollte.

Auch die Abkürzung war wohl keine gute Wahl. Und so kam es, dass schon nach wenigen Kilometern der Bock verreckte und das – wie ich nun erfuhr – in militärischem Sperrgebiet. Tatsächlich waren die Soldaten des nahen Stützpunktes aber sehr nett. Ein Panzer-Mechaniker sah sich den Roller an, meinte aber, dass er ohne Ersatzteile nichts ausrichten könnte. Ich solle zurück zur Hauptstraße, dort ein Telefon suchen und den Vermieter anrufen.

In einem netten Kafenio durften wir telefonieren und ich trank einen obligatorischen griechischen Kaffee – metrio parakallo! – bis uns der Vermieter abholte. Allerdings schrie er uns auf der Rückfahrt zum Laden konsequent an. Im Laden angekommen erfuhren wir allerdings folgendes: 1. der Laden gehörte nicht ihm, sondern seiner Frau. 2. Seine Frau schätzte es nicht, wenn Kunden angeschrien wurden. 3. Er hätte uns den Roller nicht vermieten dürfen, weil bereits kaputt. Wir bekamen als Ersatz eine nagelneue Peugeot 80er zum Fahren – ohne Aufpreis und ohne Vorlage eines Führerscheins. Tatsächlich: auf der gut ausgebauten Landstraße Richtung Norden waren 100 km/h eine angenehme Reisegeschwindigkeit.

Alle Eindrücke dieses Tages in Worte zu fassen reicht der Platz hier nicht. Zu erwähnen wäre das Mittagessen in einer Taverne in der Umgebung von Agios Dimitros, in der man sich das Essen noch in der Küche aussuchte und deren Besitzer ein damals bekannter Doppelgänger von Louis de Funès war. Weiter ging es zügig auf der verführerischen Landstraße, bis uns das Verhängnis in Gestalt des traumhaften Blickes von der höhergelegenen Hauptstraße auf den reizenden Küstenort Ormos Marathokambou* ereilte. Dort und nirgendwo anders wollte meine Frau den Sonnenuntergang erleben.

Es war purer Leichtsinn. Die Abfahrt auf der gewundenen, steilen Straße kostete uns eine halbe Stunde. Dafür entschädigte uns ein tatsächlich unvergesslicher Sonnenuntergang in einer Taverne am Strand bei griechischem Kaffee und einer Karelia. Als noch unvergesslicher blieb mir aber der Rest unseres Heimwegs in Erinnerung. Zum einen ist es nach dem Sonnenuntergang vor allem eines: dunkel! Zum anderen blieb die steile Straße zurück zur Hauptroute. Doch damit nicht genug, war das nun folgende Stück Straße ausgesprochen kurvig, bergig und bei weitem nicht so hübsch ausgebaut, wie der bisherige Abschnitt der Fahrt. Ich hatte also viel zu tun und wenig Erfahrung.

Doch schlug ich mich leidlich gut. Da es inzwischen nicht nur dunkel, sondern auch kalt geworden war – noch so ein Nach-Sonnenuntergang-Phänomen – nahmen wir Klein-David in die Mitte und damit ihm nicht langweilig wurde, zu sehen gab es ja nichts, sang meine Frau mit ihm Lieder aus dem Kindergarten. Deshalb schwante mir auch nichts Böses, als vom Sozius leise „Es geht ein Bibabutzelmann in unserm Haus herum, dideldum“ hörte. Und nochmal „Es geht ein Bibabutzelmann in unserm Haus herum, dideldum“. Leben kam in das Ganze bei der Textstelle: „er rüttelt sich, er schüttelt sich“, denn wie im Kindergarten einstudiert rüttelten und schüttelten sich Weib und Kind. Auf einem Motorroller. In der Kurve. Bei etwa 60 km/h.

Das Hinterrad brach nach rechts aus, der Rollsplit knirschte, ich gab Vollgas und zog uns damit aus der Kurve. An der nächsten Möglichkeit hielt ich an, sehr wach und mit einem Adrenalin-Spiegel, den sich mancher Dealer gerne auf Flaschen ziehen und verkaufen würde und schimpfte die beiden zusammen. Hatte ich nicht eindeutige Anweisungen über das Verhalten auf Motorrollern insbesondere in Kurven erteilt? Hatte ich dabei Hüpfen, Rütteln oder Schütteln auch nur mit einer Silber erwähnt? Oder hatte ich nicht eher das genaue Gegenteil erklärt?

Wir mussten weiter. Nach etwa zehn Minuten erschien im gelben Licht seiner Straßenlaternen der nächste Ort. Bei der ersten Taverne scherte ich aus.** Ein Kaffee für mich und für David eine Limo, damit er sich wieder beruhigt. Ab da war die Straße übrigens wieder gut und nach 15 bis 20 Minuten waren wir zurück bei unserem Quartier. Dass wir aber beinahe vom Butzelmann getötet worden wären, werde ich wohl nie vergessen…

*Als ich diesen Beitrag schrieb, ging ich davon aus, dass es sich um Ormos Marathokambou handelte. Inzwischen weiß ich, dass es sich in Wahrheit um Balos handelte. **Die Taverna Panorama in Koumaradei.

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