Korfiotisches Kaffee-Tagebuch II: Pantokrator – der Weltherrscher

Die Straße gleitet nun sanfter die Höhen hinauf. Mit Spartilas habe ich den größten Anstieg überwunden. Dahinter öffnet sich eine Hochebene, auf der – neben Oliven – auch Wein angebaut wird. So finden sich rechts und links der von Olivenhainen und Weinreben, Platanen und Büschen gesäumten Straße noch versprengte Häuser und kleine Höfe.

Nach zwei Kilometern kommt die erwähnte Abzweigung. Und nein, der Pantokrator ist nicht gleich um die Ecke: von hier sind es noch etwa zwölf Kilometer und auf halber Strecke liegt der Ort Strinilas, ein ruhiges Bergdorf mit engen Gassen, dass sich in eine kleine Senke hineinschmiegt. Übrigens ereignet sich hier der einzige verkehrstechnische Mordversuch.

Trotz des ausgewiesenen Tempolimits von 40 km/h überholt mich ein weißer Mietwagen auf halsbrecherische Weise. Im Wagen ein Ehepaar in gesetztem Alter und mit grimmigem Blick – ich vermute Deutsche! Denn der Fahrer hupt mich rücksichtslos auf die Seite. Blöd nur, dass die Marmorplatten dort spiegelglatt sind und ich fast die Kontrolle über meinen Roller verliere. Was ich noch nicht wusste: ich werde ihnen noch einmal begegnen.

Kaum zwei Kilometer weiter zweigt die Straße zum Gipfel ab. Die Spannung und Erwartung steigt. Man erwartet nach jeder Kurve die Bergkuppe zu sehen. Man nähert sich von Osten über einen breiten Grat, die Pflanzen werden spärlicher und weichen schließlich dem Karst oberhalb der Baumgrenze, die niedrig ist. Und dann ist es wie erwartet: eine Kurve, eine leichte Anhöhe und man sieht den Pantokrator.

Der Berg, den die Venezianer Monte San Salvatore nannten, trägt heute den Namen Pantokrator, ein Gottesbegriff aus dem Alten Testament, der später ganz auch Christus übergegangen ist und so viel wie Welt- oder Allesbeherrscher bedeutet. Christus Pantokrator ist eine beliebte Darstellung der Ikonographie, die in der byzantinischen Kunst ihren Ursprung hat und in der griechisch- und russisch-orthodoxen Kirche ihre Fortführung fand.

Typisch für diese Christus-Darstellung, die bis in die Romanik des Mittelalters verbreitet wurde, ist der Heiland mit zum Segen erhobener rechter Hand und ein aufgeschlagenes Evangelium in der linken Hand. Der Pantokrator-Typus betont die Gottgleichheit Christi, seine Weltherrschaft, Segensmacht und Lehrautorität.

Der Berg nun ist, je nach Auslegung, entweder 906 oder 917 Meter hoch und der Gipfel selbst keine Schönheit – und das trotz des Klosters aus dem 17. Jahrhundert, das in den Sommermonaten bewohnt ist. Das mag an der großen Antenne liegen, die das Kloster überragt. Auch auf dem Nebengipfel hat sich ein beeindruckender Antennenwald angesiedelt. Technisch sicherlich nötig, nur optisch leider eher unschön.

Umso beeindruckender ist der Blick, denn man in alle Richtungen vom Kloster genießen kann – die Mönche hatte wohl ein Händchen dafür – der sich bis weit hinein nach Albanien erstreckt. Doch lassen sich von hier oben auch einige Details auf der Insel entdecken. Wie zum Beispiel die markanten Umrisse der Neuen Festung von Kerkyra. Oder der Ausblick von oben auf das Geisterdorf Paléo Períthia, von dem aus ich vor kurzem nur neidvoll auf den majestätischen Berg schauen durfte.

Doch auch diesmal wird es mir nicht zu leicht gemacht den Sehnsuchtsort zu erreichen. Nach dem ersten beeindruckenden Blick auf den Felsen verändert sich alsbald die Straße. Der bisher ganz passable Asphalt weicht nach einem Stück Sandweg nämlich einer steilen Betonpiste mit Querrillen. Und diese Piste ist nicht nur zu steil für einige Autos, sondern auch für meinen Roller. Weshalb ich den an sicherer Stelle parke.

Jetzt geht es die letzte halbe Stunde und in praller Sonne den steilen Betonweg nach oben. Hier begegne ich auch dem rücksichtslosen Autofahrer wieder. Der kommt mir nämlich entgegen, gerade als ein Kleinbus versuch mühsam um eine Spitzkehre zu kommen. Auch dieser Verkehrsteilnehmer wird weggehupt, so dass er das Manöver abbricht und in den Auslauf fährt, bis unser König der Straße vorbei ist. Das Chaos mit zwei Kleinbussen und einem PKW, das er dabei hinterlässt, scheint ihn nicht zu kümmern.

Am Gipfel angekommen durchforste ich erst den Antennenwald – der Aussicht wegen – und lasse mir dann einen Frappé schmecken. Leider wieder im Plastikbecher! Aber es hilft ja nichts. Nachdem ich meine Beine wieder spüre besuche ich auch noch die Klosterkirche und stehe ihm Auge in Auge gegenüber. Dem Pantokrator, dem Allbeherrscher…

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Der nächste Gipfel-Kaffee geht auf Dich?

Sehr gerne! Lass uns diesen Kaffee-Moment in luftiger Höhe doch gemeinsam erleben. Wenn Dir mein Blog gefällt, dann freue ich mich über ein Trinkgeld!

2,50 €

2 Gedanken zu “Korfiotisches Kaffee-Tagebuch II: Pantokrator – der Weltherrscher

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