Zugegeben, es ist schon eine ganze Weile her, dass ich mit Michael Graeter einen Kaffee trinken durfte. Er hatte damals sein Café Extrablatt in der Leopoldstraße und ich meine Schule in der Nähe und zweimal in der Woche Nachmittagsunterricht. Die Mittagspause überbrückte ich mit einem Stück Kuchen und einem Cappuccino im Extrablatt. Beides zusammen kostete damals 5,20 Mark und ich gab immer 5,50 Mark. Ich war ja Schüler und mehr Trinkgeld konnte ich mir nicht leisten.
Die Kellner kannten mich schon und einmal fiel ich auch Herrn Graeter auf, da ich wohl nicht zum üblichen Gastklientel gehörte. Er fragte, ob er sich dazu setzen könne und als ich bejahte fragte er mich warum ich mir gerade das Extrablatt als Stammcafé ausgesucht hätte. Am Ende unserer Unterhaltung sagte er mir er hätte sich sehr über das Gespräch gefreut und ich bräuchte diesmal nicht zu bezahlen. Er lud mich also ein. Mir ist diese Begegnung noch deshalb so lebhaft in Erinnerung, weil Graeter die Gabe hat sich mit den Menschen in einer Art zu unterhalten, dass man sich als sein Gesprächspartner wohl fühlt. Es war nicht eine Unterhaltung zwischen einem erfahrenen Journalisten und Gastronom und einem Schüler. Er gab mir das Gefühl auf Augenhöhe mit ihm zu sein. Vielleicht das Geheimnis seines Erfolges.

Dass sich Herr Graeter noch an diese Begegnung erinnert bezweifle ich. Ich bin ihm dann viele Jahre später noch einmal in der Redaktion der Abendzeitung begegnet, als er sein Manuskript kurz vor dem Andruck vorbei brachte. Ich habe darauf verzichtet zu versuchen an unsere frühere Begegnung anzuknüpfen. Das war noch die „gute, alte Zeit“, als sich die Abendzeitung noch als Münchner Boulevardblatt verstand, Arno Makowsky Chefredakteur war, Georg Thanscheidt sein Vize und ich mir Hoffnungen machte, in der Lokalredaktion einzusteigen. Das war noch der fruchtbare Boden, auf dem Gesellschaftskolumnen, wie die des Michael Graeter, wachsen und gedeihen können. Leider passé…
Den Beinamen „Baby Schimmerlos“ – nach der Hauptfigur in Helmut Dietls Fernsehserie „Kir Royal“ (Aus dem Leben eines Klatschreporters) – ist Graeter nie mehr losgeworden. Trotzdem: nur wen man bewundert, den karikiert man auch. Das Original hat den Beruf des Gesellschafts-Kolumnisten zu einer Kunstform erhoben. Oder anders gesagt, weder vorher noch nachher waren Klatsch und Tratsch journalistisch so professionell geschrieben worden und deshalb auch so erfrischend zu lesen.
Für mich ist Michael Graeter bis heute einer der ganz Großen des deutschsprachigen Journalismus. Boulevard und Klatsch funktioniert nur dann, wenn er fachlich kompetent umgesetzt wird. Je seichter der Inhalt, desto wichtiger ist die Form. Seine Geschichten leben von den Insider-Informationen, an die eben nur ein Graeter herankommt. Die Beschaffung wird die meisten Mühen in Anspruch nehmen, die man – Dank seiner lockeren Schreibe – dem fertigen Text nicht mehr anmerkt. Aus Klatsch aber Lesestücke zu schaffen, die die Leute nicht müde werden zu lesen und aus dem Banalen die Sensation herauszufiltern, das ist die wirklich hohe Kunst.

Leider hinkten die gastronomischen Erfolge den journalistischen hinterher. Mit der Konsequenz, dass das Extrablatt längst Geschichte ist. Die Nachwehen wirken bis heute. Wer diesen Klatsch lesen möchte, der soll aber bitte Wikipedia bemühen. So schnell, wie die feine Gesellschaft in und um München (ja, es soll auch außerhalb der bayerischen Landesgrenzen noch so etwas wie ein gesellschaftliches Leben geben, wenn auch kaum der Erwähnung wert) den Meister des Boulevard einst hochgejubelt hat, so schnell hat sie ihn auch wieder fallen gelassen.
Doch es gibt einen aktuellen Grund, dass dieser Tage viele Journalistinnen und Journalisten über den „Chefdirigent der Bussi-Bussi-Society“ schreiben. Man munkelt, dass des Meisters 80. Geburtstag ist. Ganz sicher sein kann man da nicht, da Graeter um seinen Geburtstag immer ein Geheimnis gemacht hat. So treffsicher, wie er anderen Geheimnisse entlockte, so unbarmherzig behält er dieses für sich. Nehmen wir aber einmal an, der 80. Geburtstag wäre heuer, dann ist es mir eine Freude einem meiner journalistischen Vorbilder zu gratulieren. Hiermit geschehen.
Zu schade, dass es das Extrablatt nicht mehr gibt. Gerne würde ich noch einmal einen Kaffee mit Michael Graeter trinken…
Bildrechte: Titelbild von jaturon umpornjarus auf Pixabay, Bild von Andrys Stienstra auf Pixabay, Bild von jaturon umpornjarus auf Pixabay.

Einen Kaffee mit einem seiner Vorbilder zu trinken…
… dass ist schon ein ganz besonderer Kaffee-Moment. Wenn Du den nächsten besonderen Kaffee-Moment mit mir gemeinsam erleben möchtest, dann freue ich mich über Deine Einladung in Form eines Trinkgelds.
3,60 €
Good morning bro.
I have a fever
https://pkn067940.wixsite.com/my-site-33
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Get well soon!
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Im Extrablatt war ich in den 80zigern oft – die Abendzeitung hat ihn ja schon würdig gehuldigt –
Die Zeiten verändern sich. M. Graeter hatte seiner Zeit das richte Gefühl, wann man …
Das ist glaube ich , abgesehen von der veränderten Medienwelt, ist in München ein kleinwenig noch heute so. Schönes WE lg Meggie
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Vielleicht sind wir uns ja da schon einmal über den Weg gelaufen – ohne es zu wissen…
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Könnte gut sein!
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Ich war der Blonde mit dem blauen Pollunder…
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Und ich die Blonde mit dem roten Lederanzug
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Vermutlich hätte ich mich damals eh nicht getraut Dich anzusprechen…
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Ich denke, dass lag am Altersunterschied
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Du meinst, ich hatte noch Welpenschutz?
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👍👍😂😂
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Danke für den Hintergrund. Das Café Extrablatt begegnet mir häufiger, wird Zeit, sich auch mal reinzusetzen 😉
Wie sieht es mit deinen journalistischen Ambitionen heute aus? Willst du sie nicht weiter verfolgen? Schreiben kannst du…
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Ich habe zwei Anläufe bereits genommen und da sehr viel Energie reingesteckt. Als später Quereinsteiger mit untypischem Werdegang hat man es leider nicht unbedingt leicht. Nur gut schreiben zu können reicht da leider nicht. Ich muss mal sehen. Momentan habe ich dank Corona null finanzielle Rücklagen und nehme von u.U. kostspielige Experimenten deshalb erstmal Abstand. Vielleicht entdeckt mich ja jemand über diesen Blog?
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Soweit ich gehört habe, ist es schwierig, eine Festeinstellung zu bekommen und viele Journalisten arbeiten auf freiberuflicher Basis. Ich würde auch zuerst schauen, dass sich die Lage normalisiert. Und das Ziel irgendwann dann in Angriff nehmen 🙂
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Ich schau mal, was sich so entwickelt. Aber ich greife nicht mehr nach den Sternen…
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Ein Bekannter von mir verdiente sich während der Studienzeit seine Brötchen als Beleuchter in der Kleinen Komödie im Bayerischen Hof. Eines Abends landete er nach der Vorstellung in der Bar neben Michael Graeter. Es entspann sich ein angeregter Dialog über etliche damalige Promis – ist schon fast vierzig Jahre her 😉 . Am nächsten Tag erwähnte Herr Graeter meinen Spezl namentlich in seiner Kolumne, und der Gute schwoll danach eine geraume Weile vor Stolz an wie ein Ochsenfrosch. 😀
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Hätte Graeter mich in seiner Kolumne erwähnt, ich hätte heute noch eine von Stolz geblähte Brust!
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Interessante Story! Ich muss ja gestehen, dass mir der Name überhaupt nichts sagt. Oder sagte. Jetzt schon, dank dir 👍.
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Ist natürlich gerade in München so etwas wie eine lokale Berühmtheit.
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