Die jütländischen Kaffeetafeln sind vielen aus dem gleichnamigen Roman von Siegfried Lenz bekannt. Gebutterte Rundstücke, blätterteigartiger Kranzkuchen mit Rosinen, Sahne-Großtorte mit Kirschen, Napoleonschnitten, gefüllt mit Vanillepudding, und Nusstorte mit Buttercreme, dazu literweise duftenden schwarzen Kaffee – das alles gehört zur jütländischen Kaffeetafel. Das Sønderjysk Kaffebord wird meistens zu besonderen Gelegenheiten wie Geburtstagen oder Familienfesten zubereitet.
Die geradezu sprichwörtliche Opulenz des Sønderjysk Kaffebord nahm Siegfried Lenz in seiner launigen Milieuschilderung „Kummer mit jütländischen Kaffeetafeln“ aufs Korn: „(…) die erste Großtorte, die lagkage, der Stolz der Hausfrau […]: Wie viele Schichten waren da verständig übereinandergelegt, der Boden erinnerte an Jütlands sandgraue Küsten, die Füllung an seine dunkle Torferde, etwas Versteiftes, Klumpiges gemahnte an einheimische Hünengräber, und beim Anblick der lastenden Sahneschichten mußte ich an jütländische Winter denken. Der Moränenschutt, fast unnötig zu sagen, entpuppte sich auf der Zunge als Nußsplitter. Eine ganze Geologie der Gaumenfreude präsentierte sich uns da, und ich wäre in Andacht versunken, wenn Atemnot mir nicht zugesetzt hätte.“

Die Tradition der Kaffeetafel hat Ihren Ausganspunkt im dänischen Freiheitskampf. Nach dem Krieg von 1864 fiel Südjütland unter deutsche (preußische) Herrschaft, was vielen dänisch gesinnten Südjütländern missfiel. Sie trafen sich in Versammlungshäusern und sangen dänische Lieder, auch wenn der Gesang offiziell verboten war. Die deutschen Behörden wollten den Versammlungshäusern keine Schankgenehmigung erteilen, so dass die Treffen nicht mit dem traditionellen Kaffeepunsch beschlossen werden konnten.
So trafen sich die Dänen fortan zum Kaffee. Dafür brauchte man keine Schankgenehmigung, und die Deutschen konnten die dänisch gesinnten Reden und Lieder an der reich gedeckten Kuchentafel nicht verhindern. Weil die Versammlungshäuser aber nicht für so viele Menschen backen konnten, brachten einige der Teilnehmer etwas mit und mit der Zeit entbrannte ein regelrechter Backwettstreit unter den Hausfrauen. Bis heute besteht eine südjütländische Kaffeetafel aus mindestens 21 verschiedenen weichen („bløde“) trockenen (tørre) und harten (hårde) Kuchen, Torten und Gebäck.

Nun bekommt die süßeste aller kulinarischen Traditionen aus der Region Sønderjylland ein eigenes Festival. Mit dem neu ins Leben gerufenen Kuchenfestival möchte die Region Sønderjylland auf die Backtradition Süddänemarks aufmerksam machen und Wissen über die Geschichte der südjütländischen Kaffeetafel vermitteln. Das Städtchen Tønder lädt deshalb am 28. August von 11:00-14:00 Uhr zur wohl längsten Kaffeetafel Dänemarks mit Verkostung von Kuchen, Torten und Kleingebäck. Die Teilnahme an den Verkostungen ist gratis. Wer Lust auf eine „Große Kuchenrunde“ hat, kann ein Ticket für 28,- Euro (205,- DKK) dazu kaufen. Teil des Festivals ist zudem die Dänische Meisterschaft im Brottortebacken – eine der besonders typischen Leckereien der südjütländischen Tafel.
Corona-Hinweis: Seit dem 26. Juni ist Deutschland von den dänischen Behörden als „grün“ eingestuft. So dürfen Touristen mit Wohnsitz in Deutschland ohne eine Verpflichtung zur Quarantäne nach Dänemark reisen. Bei der Einreise ist eine vollständige Impfung (14 Tage nach Abschluss der Impfung) oder ein negativer Corona-Test (Antigen oder PCR) vorzuweisen. Vor Reiseantritt sollte man sich trotzdem sicherheitshalber noch einmal informieren. Zum Beispiel auf den Internetseiten des Auswärtigen Amtes, des ADAC oder beim Veranstalter unter www.visitsonderjylland.de.
Bildrechte: Titelbild von ❤ Monika 💚 💚 Schröder ❤ auf Pixabay, Bild von Michelle Raponi auf Pixabay, Bild von CALLUM KING auf Pixabay; Quellen: visitdenmark.com, Wikipedia, Siegfried Lenz: Kummer mit jütländischen Kaffeetafeln, in Zaungast. Erzählungen, Hoffmann und Campe, Hamburg 2002.

Auf so einem Kaffee- und Kuchenfestival wäre ich wohl genau richtig!
Trotzdem bleibt zu befürchte, dass ich den Kuchen zuhause verdrücken muss. Vielleicht gönne ich mir ja zeitgleich am 28. August mal wieder ein Stück Torte… Wenn Du mich auf Kaffee und Kuchen einladen möchtest, dann freue ich mich über ein Trinkgeld!
3,60 €
Siegfried Lenz beschreibt in seinen Romanen für mich immer die Wirklichkeit, das Leben in einer Form – die es erträglich macht. Die Kaffetafeln waren auch in meiner Kindheit Wirklichkeit,
um von den Problemen der Nahrungsbeschaffung, dem sattwerden der Großfamilie abzulenken.
Neu heute muß ich immer mehrere Kuchen backen -Hefekuchen, Blechkuchen, Torte und einen Obstboden für alle Fälle. Danke Dir für den wunderbaren Beitrag. Gute Fahrt! LG Meggie
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Wir hatten Sonntags Besuch von Oma und Tante. Dazu gab es den guten Kuchen von der Pullacher Konditorei Habenschaden, die es leider nicht mehr gibt. Was schade ist, denn damals war das der beste Kuchen der Stadt…
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Habenschaden, Kustermann , Solln, warum verschwinden sie? Wir, Du und ich wissen guten Kuchen zu schätzen – wer weiß vielleicht kommt man irgendwann wieder drauf. Schönen Abend lg Meggie
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Es gibt noch ein paar: Kustermann in der Lindwurmstraße, Schuntner am Stemmerhof, Widmann in Hadern und Wölfl in Haidhausen. Und natürlich die Platzhirsche Dallmayr und Luitpold. Aber Du hast recht, es werden immer weniger.
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Oooooh, der Kustermann in der Lindwurmstraße hat gar feinen Kuchen. Dort war ich gerne zu Gast, als ich vor drei Jahren einige Wochen lang „Gast“ im Friedrich-Baur-Institut für Muskelerkrankungen war. 🙂
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Schade, dass man ihm das zweite Standbein amputiert hat.
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Inwiefern? Ich habe von einer neuen Pächterin gelesen, die seit April das Café führt.
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Ich meinte die Filiale in Solln. Da sitzt jetzt die Sollner Bäckerei Reis drin. Ein super Bäcker, aber halt kein Konditor!
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So viel Kuchen, wer soll das alles essen? Ich würde ja gerne hin, aber der reine Selbstschutz spricht dagegen… (Figur und so…) Und die Tatsache, dass ich zu diesem Zeitpunkt, wenn alles gut geht, bereits in Georgien sein werde (jubel jubel freu frei…). Aber vielleicht schicke ich meinen Liebsten nach Dänemark. Der steht auf Kuchen…
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Georgien? Das klingt spannend! Ich bin sicher, dass Du wieder jede Menge Geschichten mitbringst!
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Oh ich bin schon so gespannt… Georgien steht so lange auf der Wunschliste… 😉
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Ich schmelze immer schon bei den Videos von Trio Mandili dahin…
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Das lässt die Herzen aller Zuckerschnuten höher schlagen! Nur Diabetiker sollten sich da besser fernhalten 😊. Tønder ist übrigens wirklich ein schönes, kleines Städtchen. War vor gefühlt hundert Jahren einmal da und habe es in guter Erinnerung behalten.
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Ich war noch nie in Tønder. Hier im Süden orientiert man sich vielleicht eher Richtung Italien… Aber man weiß ja nie!
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