Nun, wer soll Dein Herzblatt sein? Ist es Paleokastrítsa mit der stolzen Festung Angelókastro? Oder das freundliche Kassiópi mit der byzantinischen Burg und den im Meer verborgenen Ruinen? Oder doch Paleópolis, die alte, versunkene Stadt mit der Mäuseinsel. Es gibt eine Antwort. Und sie ist nicht nur das Ergebnis des ersten Augenscheins, sie ist das Ergebnis langwieriger Recherchen und Überlegungen.
Tatsächlich verrät uns Homer noch einiges über die Phäaken. Sie sollen begnadete Schiffbauer und Seefahrer gewesen sein, die ohne Steuermann oder -ruder mit ihren Schiffen, als hätten sie Flügel, über das Meer fuhren. Die Frauen hingegen waren für ihre Webkunst bekannt. Die Phaiaken oder Phäaken werden bei Homer einerseits als gastfreundlich charakterisiert, andererseits als Fremden gegenüber reserviert und diese nicht gerne bewirtend. Sie konnten ein glückliches und sorgenfreies Leben führen, da Scheria, bedingt durch die vorherrschenden Westwinde, sehr fruchtbar war und dort alles in Fülle wuchs. Ursprünglich sollen sie in der Nähe der Zyklopen gelebt haben, doch da sie von den einäugigen Riesen immer wieder überfallen worden waren, wurden sie von Nausithoos, dem Sohn des Poseidon und der Periboia, nach Scheria geführt. So steht es in der Odyssee.

Doch wo liegt Scheria nun? In der Antike war es durchaus üblich, dass auf einer Insel mehrere Königreiche gleichzeitig existierten. So könnte also an allen drei Orten jeweils ein König oder eine Königin geherrscht haben. Und doch gibt die Odyssee genau die Hinweise, die es zu Bestimmung dieses einen Reiches der Phäaken braucht. Meiner Meinung nach ist nämlich Paleokastrítsa der Ort, der die meisten Hinweise auf sich vereint. Gehen wir chronologisch vor.
Die Phäaken kamen ursprünglich aus der Nähe der Zyklopen. Doch wo kamen die her? Bei den Altertumsforschern herrscht heute die Meinung vor, dass sich der Großteil der Odyssee westlich des griechischen Festlands abspielte, also im Ionischen und Tyrrhenischen Meer, im Balearen- und im Alborán-Meer, ja wenn nicht sogar über Gibraltar hinaus im Atlantischen Ozean. Auf jeden Fall aber westlich von Korfu. Heißer Kandidat sind die heute unbewohnten Zyklopeninseln nahe Sizilien, die in vorgeschichtlicher Zeit besiedelt war. Odysseus soll hier den Zyklopen Polyphem geblendet haben.

Die Phäaken kamen also aus dem Westen. Und deshalb würden sie vermutlich auch an der östlichen Seite von Korfu anlanden. Zweiter Hinweis: das fruchtbare Land dank der Westwinde. Klar, dass es, wenn der Wind von Westen kommt, sich die Wolken an der Ostseite der Berge abregnen, was zu vermehrter Fruchtbarkeit führt. Auch Odysseus kam aus dem Westen nach Korfu. Zwar streiten sich bis heute die Gelehrten, wo Ogygia, die Insel der Kalypso gewesen ist, doch die überwiegende Zahl der in Frage kommenden Eilande liegen westlich von Korfu. Spitzenreiter Gozo liegt in der Nähe von Malta. Auch die Isla del Perejil in der Meerenge von Gibraltar ist im Rennen. Andere sehen sogar Madeira oder eine der westlichen Kanareninseln als ein mögliches Ogygia. Eigentlich egal: Odysseus kam von Westen und strandete deshalb vermutlich eher an der Ostseite von Korfu.
Die geschützte Bucht mit der Flussmündung passt ebenso zu Paleokastrítsa, wie auch der Felsen an der Einfahrt zum Hafen. Die Mäuseinsel ist dafür zu groß und in Kassiópi fehlt das versteinerte Schiff ganz. Und außerdem noch ein weiteres, zwar kleines aber vielleicht wesentliches Detail: Nausikaa musste Odysseus den Weg zum Palast ihres Vater erklären. In Kassiópi hätte sich das aufgrund der Offensichtlichkeit erübrigt. Und auch bei Análipsi hätte man den Palast vermutlich gesehen. Außerdem wurde von diesem Palast bisher kein Zeugnis gefunden.

Nein, die Frage nach dem Weg zum Palast ist nur notwendig, wenn man in Paleokastrítsa am Meer steht und der Palast auf dem Felsen des heutigen Angelókastro und von dem die alten Sagen berichten, dass hier früher ein Palast stand, denn der Weg geht nicht direkt, sondern man muss zuerst den Hang hinauf. Deshalb lege ich mich fest: hier traf Odysseus auf Nausikaa.
Wenn Odysseus diesen Weg gegangen ist, dann kam er wohl in Lakónes vorbei, falls es das damals schon gab. Ganz sicher gab es das Café Dolce noch nicht. Dieses Café wurde von einem sehr wagemutigen Architekten an den Felsen geklatscht, eine Konstruktion aus Stahl, Glas und Beton mit Balkon und Dachterrasse. Die vielen Palmen und anderen Grünpflanzen vermittelten etwas Dschungel-Atmosphäre und pseudo-helenistische architektonische Elemente erinnern einen daran, dass man in Griechenland ist. Von hier aber hat man einen unvergleichlichen Blick auf Paleokastrítsa mit seinen Buchten.

Hier erleben wir also unseren vorerst letzten griechischen Kaffee-Moment. Ja, es ist der mittlerweile fünfte Kaffee des Tages – und noch nicht der letzte! Doch was ist das da am Horizont? Ist das eine Fata Morgana? Oder dem hohen Koffeinspiegel geschuldet? Doch, da ist ein Segel, dort, wo Meer und Himmel sich begegnen! Ist das etwa Odysseus? Oder die Phäaken auf der Heimfahrt? Oder Tom, der nach Korfu zurückkehrt?

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Hier lege ich mich fest: Es ist Tom, der nach Korfu zurückkehrt, dort eine kleine Frühstückspension aufmacht und uns tagtäglich von dieser wunderbaren Insel berichtet. 😃 Man darf doch noch träumen dürfen! 😉😄
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Geht mir genauso!
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