Griechische Kaffee-Momente: Tom und der Palast des Phäakenkönigs II

Gestern haben wir die Frage aufgeworfen, wo Odysseus einst auf Korfu an Land gegangen ist. Heute sehen wir uns die drei Bewerber an. Beginnen wir also mit Paleokastrítsa. Die Stadt im Nordwesten der Insel Korfu hat einiges zu bieten, was auf die Beschreibungen in der Odyssee passt. Werfen wir noch einmal einen Blick in die Bücher: Odysseus der Seefahrer, dem ursprünglich in der Geschichte um den Trojanischen Krieg nur eine Nebenrolle zugedacht war, immer im Schatten des Achilles, der erst nach dessen Tod zum wertvollsten Spieler in diesem Match avancieren sollte. Schließlich stammte die Idee mit dem Pferd ja von ihm! So steht es in der Illias von Homer, dem ersten Schriftsteller der Geschichte. Mit der Illias gelang ihm sozusagen auf Anhieb ein Bestseller. Und was macht man dann? Man versucht gleich noch einen Bestseller nachzuschieben, diesmal mit Odysseus als zentralem Helden. So erfand Homer nicht nur den Beruf des Schriftstellers, er erfand den Spin-off gleich mit dazu.

Die Phäaken sind als großzügiges und gastfreundliches Volk von Schiffsbauern und Seefahrern bekannt. Alkinoos nimmt Odysseus bei sich auf und sieht bald einen Schwiegersohn erster Wahl und Güte in den gestrandeten Helden. Ja, er bieten ihm die Hand seiner schönen Tochter Nausikaa an und damit auch sein Königreich. Doch nichts kann den Helden umstimmen: er will – nein! – er muss zurück in die Heimat und zu seiner geliebten Frau Penelope. Da lässt sich der König erweichen und stellt ihm für die letzte Etappe der Reise sein eigenes Schiff zur Verfügung.

Unbemerkt von Poseidon bringen die erfahrenen Seefahrer Odysseus zu seiner Insel und setzen ihn dort ab. Als der Gott des Meeres davon erfährt ist er so erzürnt, dass er das Boot der Phäaken auf deren Heimfahrt kurz vor der Einfahrt in den rettenden Hafen mit Mann und Maus in Stein verwandelt. Doch Odysseus ist endlich am Ziel seiner Irrfahrt…

Paleokastrítsa wirft also seinen Hut in den Ring. Und tatsächlich passt hier alles: eine geschützte Bucht mit Flussmündung, ein Hafen, mit einem Felsen nahe der Einfahrt, eine Burg weit oben in den Felsen. Dort, wo sich heute die Festung Angelókastro erhebt, soll, schenkt man alten Sagen Glauben, dereinst ein Palast gestanden haben. Doch bevor wir unser Urteil fällen, trinken wir hier zu Füßen der Burg noch einen Nescafé frappe und schauen uns danach noch die beiden anderen Anwärter an.

Da wäre Kassiópi zu nennen. Einer der heißesten Anwärter für Odysseus Landeplatz liegt ganz im Nordosten der Insel, dort, wo Korfu Albanien am nächsten liegt. Tatsächlich sind es hier nur etwa zwei Kilometer bis zum Festland. Der südliche Teil von Kassiópi ist etwas moderner, hat etwas vorstädtisches. Wo sich die Hauptstraße nach Westen wendet, geht es zur Altstadt, zum eigentlichen Kassiópi mit seinem Hafen, über den eine byzantinische Festung wacht. Könnte Odysseus hier an Lang gespült worden sein? Man kann sich gut vorstellen, wie an der Stelle der Festungsruine einst der Palast von König Alkinoos gestanden haben könnte.

Auch haben Taucher schon in den 30er Jahren Spuren eines antiken Hafens im Hafenbecken entdeckt. An einer Bergung war man aber nicht interessiert, da man eine Einschränkung des Hafenbetriebs befürchtete. Zwei Dinge sprechen aber gegen Kassiópi als einstiger Hafen des Alkinoos: es fehlt das zu Stein gewordene Schiff der heimkehrenden Phäaken und wenn der Palast in Sichtweite liegt, dann müsste Odysseus Nausikaa wohl kaum nach dem Weg dorthin fragen. Verweilen wir für einen Augenblick bei einem Tässchen griechischen Kaffee am Hafen und rätseln, welche Geheimnisse das dunkle Wasser wohl verbirgt.

Schließlich noch Paleópolis, die alte, versunkene Stadt! Auch hier könnten die Phäaken, das halbmythische Volk wie von Homer besungen, ihre Hauptstadt gehabt haben. Nachdem Paleópolis mehrfach zerstört wurde, baute man sie an ihrem heutigen Platz wieder auf. Dabei geriet die alte Stadt fast in Vergessenheit. Doch die Bewohner bezeichneten die Halbinsel Análipsi im Süden Kérkyras immer noch als alte Stadt, auch wenn an sichtbaren Zeugnissen nicht viel geblieben ist.

Hier gibt es auch die wenigen antiken Tempel- und Gebäudereste auf Korfu. Von dem Hera-Tempel – Hera, die Schwester von Göttervater Zeus und gleichzeitig seine Tochter – steht noch ein Teil des Fundamentes, was seine einstige Größe erahnen lässt. Die Reste der Säulen stehen sorgsam aufgereiht vor dem Tempel, so als hätten die Bauarbeiter, die nach einer ausgedehnten Mittagspause gleich auf die Baustelle zurückkehren, ihr Material für den nächsten Bauabschnitt vorbereitet.

Im hintersten Winkel des Parks von „Mon Repos“, dem Geburtsort des jüngst verstorbenen Prinz Philipp, ist allerdings das beeindruckendste Zeugnis auf der Insel aus archaischer Zeit versteckt. Schon dessen Auffindung klingt wie aus einer homerischen Sage geklaut: unterhalb des Parks entspringt die Kardáki-Quelle, der man schon von alters her wundersame Kräfte zuspricht. Denn wer einmal aus ihr getrunken hat, der soll auf ewig Sehnsucht nach der Insel Korfu haben. Als 1822 die Quelle plötzlich versiegte, grub man am Hang zwischen Strand und Park und fand dabei diesen Tempel aus dorischer Zeit und nannte ihn nach der Quelle Kardáki-Tempel.

Das für die Odyssee benötigte versteinerte Schiff sehen wir von Kanoni aus: die Mäuseinsel. Von Kaiserin Sisi ist bekannt, dass sie es liebte – zum Schrecken ihrer Leinwache – dorthin zu schwimmen. Trinken wir im authentischen Kafenion einen Cappuccino freddo, wobei ich befürchte, das sowohl das Wasser für den Kaffee, als auch das dazu servierte Glas Wasser aus der Kardáki-Quelle stammen… Morgen kommen wir zu einer Entscheidung.

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6 Gedanken zu “Griechische Kaffee-Momente: Tom und der Palast des Phäakenkönigs II

  1. Auch wenn man Griechenland nicht kennen würde, können Deine Beitäge den Wunsch wecken, dort hinzufahren und sich selbst ein Bild zu machen. Du hast das alles so plastisch und mit viel Liebe beschrieben, ich danke Dir dafür.

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