Kaffeereise: Basel

Osterferien und wir müssen daheim bleiben – schon wieder! Mit Verreisen ist ja wohl auch im zweiten Corona-Jahr eher nichts. Aber davon lassen wir uns die Ferienlaune nicht verderben. Wenn wir nicht selbst in die Ferne schweifen können, dann machen wir es wenigstens in Gedanken. Denn die sind ja bekanntlich frei! Also verreisen Sie mit mir an einige der schönsten Kaffee-Orte! Wer im Schweizerischen Basel nach einem gediegenen Kaffeehaus sucht, dass sowohl klassisch, als auch zeitgemäß ist, der wird im Grand Café Huguenin am Barfüsserplatz – von den Baslern Barfi oder Seibi genannt – fündig. Damit wäre eigentlich schon alles gesagt, gäbe es nicht so viel über das Grand Café Huguenin und Basel zu erzählen. 20180414_111912.jpg Fangen wir mit Basel an, das wir aus dem Breisgau kommend über den Badischen Bahnhof erreichen. Dieser ist nur einer von sechs Basler Bahnhöfen, mit Sicherheit aber der deutscheste. Schließlich ist er als einer der letzten seiner Art ganz in Besitz der Deutschen Bahn, also eine Art deutsche ständige Vertretung auf Schweizer Boden. Weder Krieg noch Bahnreform konnten an diesem Sonderstatus etwas ändern. Tritt man aus dem Bahnhof heraus ist man in der Schweiz. 20180414_111933.jpg Hier rate ich dem unmotorisierten Reisenden zum Kauf einer Tageskarte der Preisstufe „Basel + Agglomeration“ für 9,90 Franken, die es einem ermöglicht auch Dank des guten Straßenbahnnetzes nach der „Hop on, hop off“-Methode die Stadt schuhsohlenschonend zu erkunden. So erreichen wir auch nach kurzer Fahrt den Barfüsserplatz mit seinem Grand Café Huguenin. 20180414_113324.jpg Der Platz selbst wurde nach einem Kloster des Bettelordens der Franziskanermönche, abfällig auch als „Barfüsser“ bezeichnet, benannt und ist heute einer der wichtigsten Knotenpunkte des Tram-Netzes. Nach dem Erdbeben von 1356 diente der Klostervorplatz einige Jahre ersatzweise als Marktplatz. Auf dem Barfi wurde jahrhundertelang Holz und Kohle gehandelt, sowie Schweinehandel betrieben, und der Platz bekam dadurch den noch heute verwendeten Übernamen Seibi, abgeleitet von einem Wort für Sau, also Schweineplatz. Nach der Reformation wurden die Klostermauern abgerissen und der Platz auf seine heutigen Maße vergrößert. Seit Mitte des 18. Jahrhunderts gewann der Barfüsserplatz mehr und mehr als Markt- und Messeplatz an Bedeutung, bis er von den neuen Markthallen am großen Bahnhof abgelöst wurde. 20180414_120038 Um das Jahr 1934 eröffnete an diesem Ort, also an einem der belebtesten Plätze Basels, das Grand Café Huguenin. In den folgenden 80 Jahren hatte das Café nur drei Besitzer, was die große Kontinuität des Hauses erklärt. Bereits in den 50er Jahren war das Huguenin der Treffpunkt am Barfi, mit großem Salon und einem weißen Flügel, an dem Solopianisten für die entsprechende Stimmung sorgten. 1998 wurde das Gebäude komplett umgebaut, da die bis dahin bestehende Ladenpassage aufgelöst wurde und alle ansässigen Geschäfte ihre Ladenstruktur anpassen mussten. Für das Huguenin entschied man sich für eine Doppelstrategie: ein moderner und zeitgemäßer Bar-Betrieb im Erdgeschoss und ein klassisches Kaffeehaus im ersten Stock. 20180414_120118 Nach dem Blick in die Speisekarte muss sich der Reisende erst einmal wieder sammeln: die Schweiz ist teuer! So kommen mich die Tasse Cappuccino und ein Croissant auf knappe zehn Euro.Allerdings:  Mit der Fabrikware hierzulande sind diese Meisterstücke des Bäckerhandwerks jedenfalls nicht zu vergleichen! Der Teig leicht und trotzdem kross – ein Gedicht! Seinen Kaffee bezieht das Huguenin seit Ewigkeiten von einer Rösterei aus Lugano, von Caffè Ferrini, ein Unternehmen, das seinerseits 1932 gegründet wurde. Hier passt alles zusammen: der aromatische Kaffee, das krosse Gipfeli, die sonnenbeschienene Terrasse mit dem Blick auf den geschichtsträchtigen Platz. Von hier aus machen wir uns auf den Weg zum Basler Marktplatz. 20180414_142727.jpg „Der Basler Marktplatz ist das Herz der Stadt; hier gibt sich schon relativ früh am Morgen ein gelungenes Völklein Rendezvous. Da trifft man Politiker und einfache Bürger in bunter Folge. Die einen streben dem Rathaus zu, um das politische Geschehen zu prägen; die andern statten dem Märt ihren regelmässigen Besuch ab und finden hier für den täglichen Bedarf frisches Gemüse und Obst. Gut gerüstet für den Mittagstisch, geht’s noch auf einen Sprung auf die Seite des Marktplatzes, wo die süsse Handwerkskunst Gaumengenüsse verheisst. Wo könnte das anders sein als in der Confiserie Schiesser; bevor man den Heimweg antritt, kann man im Tea-Room des ersten Stocks bei einer Tasse heisser hausgemachter Schokolade und einem knusprigen Buttergipfeli noch kurz das geschäftige Treiben auf dem Marktplatz von oben verfolgen.“ 20180414_142632.jpg So verheißungsvoll ist die Ankündigung auf der Webseite des Traditionsunternehmens – Schweizer Rechtschreibung beibehalten! Bald 150 Jahre residiert die Confiserie Schiesser hier am besten Platz der Stadt. Der Glarner Konditor Rudolf Schiesser, Mitgründer des Conditoren-Vereins Basel von 1888, hat seinerzeit schon die Vorzüge des Marktplatzes als Standort seines Geschäftes erkannt und im Jahre 1870 im Haus „zum Rinslein“ am Marktplatz 15 eine Confiserie eröffnet. Nach der Jahrhundertwende bekam das Gebäude dann seine heutige Gestalt. 20180414_132554 Im Laden im Erdgeschoss locken bis heute hausgemachte Pralinen, Truffes, feines Gebäck, Patisserie aller Art, konfierte Früchte, Marzipan und Macarons. Im ersten Stock lädt der historische Tea-Room aus der Anfangszeit des 19. Jahrhunderts und das „Rothstübli“ aus dem 18. Jahrhundert zum Verweilen mit Blick auf Markplatz und das Rathaus ein. Der Gastraum über der Ecke Marktplatz und Sattelgasse ist im klassischen Stil eines Wiener Kaffeehauses eingerichtet. Hier gibt es Kaffee aus einer regionalen Rösterei in Gelterkinden oder würzigen Tee. Die Melange, ein starker Kaffee mit einer opulenten Sahnehaube, serviert in einem Kelch, macht aus einer schlichten Kaffeepause einen beinahe sakralen Moment. Auf dem Rückweg zum Badischen Bahnhof machen wir noch in „Kleinbasel“ Halt. 20180414_143825.jpg Kleinbasel wird der rechtsrheinische Teil der Schweizer Stadt Basel genannt und gilt als als Arbeiter- und Einwandererviertel. Es hat einen weit höheren Ausländeranteil als das linksrheinische Grossbasel. Deshalb wird die bis heute gebräuchliche Bezeichnung „minderes Basel“ teilweise als abwertend empfunden, obwohl das Wort „minder“ ursprünglichen einfach „kleiner“ und keineswegs „minderwertig“ bedeutete. Das mindere Basel benennt einfach den kleineren Stadtteil. 20180414_153758.jpg Ob kleiner oder minder, Kleinbasel hat einfach die schönere Uferpromenade. So kommt es, dass nachmittags jede Menge Volkes zu den Sonnenplätzen am Rheinufer strebt. Da die wenigen Bänke bald besetzt sind, nimmt man schnell auf der steinernen Uferbefestigung Platz. Wer arm am Beutel ist, der bringt sich sein Essen selber mit, die betuchteren Leute gehen in eines der zahlreichen Cafés und Restaurants mit Terrasse. Kaum ein Ort der Stadt könnte belebter sein. Man hört alle Sprachen dieser Welt – nicht nur von Touristen! – und da es gerade der erste heißere Frühlingstag ist, haben die Mädchen ihre Sommerkleider aus dem Schrank genommen und führen sie heute aus. Die Jungs in kurzen Hosen und T-Shirts steuern tütenweise Getränke oder Stapel von Pizzakartons bei – natürlich mit Inhalt. 20180414_143753.jpg Einer der Plätze für die Betuchteren ist das Café Spitz, ursprünglich benannt nach einem Türmchen mit goldener Spitze, dass heute in der Form nicht mehr existiert. Das bereits 1838 bis 1840 errichtete Gebäude begann als „zum goldenen Spitz“. Andere Namen, wie „zur Harmonie“ oder „Café National“ hatten nicht lange Bestand. So wurde 1896 der im Volksmund stets erhaltene Beiname schließlich bis heute zum Hauptnamen. 20180414_154638 In den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts brannte das Café zweimal aus. Die Außenfassade blieb bestehen und der Innenbau wurde möglichst originalgetreu rekonstruiert. Das Café Spitz ist heute Teil eines Hotelkomplexes und beherbergt im Erdgeschoss ein Fisch-Restaurant. Es ist noch heute das Lokal der Ehrengesellschaften. Wer sich auf der großen Terrasse niederlässt, der kann wechselweise den Verkehr auf der „Mittleren Brücke“ beobachten, das Gewühle am Rheinufer oder den Rhein selbst – dieser Auswahl ist unvergleichlich! Mit diesen Eindrücken verabschieden wir uns von Basel. Als nächsten Treffen wir Ernest Hemingway, besuchen den Buena Vista Social Club und erleben die legendäre Show im Tropicana Club. Morgen besuchen wir Kuba! Hier geht es zurück nach Prag!
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8 Gedanken zu “Kaffeereise: Basel

    1. Hallo Christa,

      Wikipedia verrät: „Zusammen mit den anderen im Eigentum der Bundesrepublik Deutschland stehenden Bahnstationen auf Schweizer Staatsgebiet (Riehen, Riehen Niederholz, Herblingen, Thayngen, Neuhausen Bad Bf, Beringerfeld, Beringen Bad Bf, Neunkirch, Wilchingen-Hallau und Trasadingen) gehört er zu den letzten Bahnhöfen, die sich nach der Bahnreform in Deutschland noch in unmittelbarem Bundesbesitz befinden. (…) Während der Badische Bahnhof zu Beginn des Ersten Weltkrieges noch von Truppen der Schweiz besetzt worden war, blieb der Betrieb des Bahnhofs bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges in der Hand der Deutschen Reichsbahn. (…) Während der Kriegsjahre galt auf dem Bahnhof analog der Regelung im Deutschen Reich die Mitteleuropäische Sommerzeit, während die Schweiz mit Ausnahme der Jahre 1941 und 1942 an der Mitteleuropäischen Zeit festhielt. In den Fahrplänen der Deutschen Reichsbahn war dies eigens vermerkt. (…) Trotz finanziellen und sicherheitspolitischen Gründen blieb es bei der Rückkaufsabsicht bei einem geheimen Plan, der nie umgesetzt wurde, obschon sich sogar die Alliierten für einen Rückkauf aussprachen. Die Schweiz betrieb den Badischen Bahnhof jedoch treuhänderisch ab Kriegsende und gab die Verantwortung 1953 wieder an Deutschland zurück. (…) Der Badische Bahnhof liegt zwar auf Schweizer Staatsgebiet, gilt jedoch durch den ursprünglich zwischen dem Grossherzogtum Baden und der Schweiz abgeschlossenen Staatsvertrag teilweise als deutsches Zollgebiet. Wer im Badischen Bahnhof (vergleichbar einem Transitbahnhof) zwischen zwei deutschen Destinationen umsteigt, hat das deutsche Zollgebiet nicht verlassen. Mehrere Staatsverträge regeln die Befugnisse deutscher und schweizerischer Beamter im Bahnhof und in fahrenden Zügen, auch zollrechtliche Fragen, sowie die Erlaubnis für einzeln reisende deutsche Militärangehörige über die Benutzung des Bahnhofs.

      Bei Asylbewerbenden mit Aufenthaltsgestattung oder Duldung in Deutschland galt die Nutzung des Badischen Bahnhofs bis Herbst 2018 als unerlaubter Grenzübertritt,[31] danach trat eine Dienstvereinbarung zwischen deutschen und Schweizer Behörden in Kraft, nach der ein reiner Umstieg auch als innerdeutsche Verbindung gilt.[32]

      Bis zum Beitritt der Schweiz zum Schengener Abkommen am 12. Dezember 2008 fand die Ausweis- und Zollkontrolle für Reisende, die den Badischen Bahnhof betraten oder verliessen, an Schaltern zwischen Bahnsteigunterführung und Empfangshalle statt. In internationalen Zügen geschah dies im Zug. Somit konnte es vorkommen, dass ein Reisender von Basel SBB zum Schweizer Bahnhof Riehen an der Wiesentalbahn seinen Pass vorweisen musste, ohne die Schweiz verlassen zu haben. Derartige Kontrollen sind seit dem 12. Dezember 2008 nur noch im Rahmen etwaiger Stichproben durch die Schweizer Grenzwache bzw. den Deutschen Zoll und deutsche Bundespolizei möglich, da die regulären Ausweiskontrollen durch den Beitritt zum Schengener Abkommen entfallen sind.“

      Kling komisch, ist aber so. Und die Confiserie Schiesser hat schon wirklich eine sehr ansprechende Auslage…

      Grüße

      Tom

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  1. Danke, dass du mir Basel vorgestellt hast! Ich kenne dort tatsächlich nur einen der Bahnhöfe, an dem ich vor gefühlt 100 Jahren mal umgestiegen bin. Und an dieser Stelle muss ich auch noch was anderes loswerden: ich bin echt froh, dein Blog entdeckt zu haben! Auf deine Café-Empfehlungen, die du für so viele Städte schon zusammengetragen hast, komme ich sehr gerne mal zurück – wenn ich denn endlich wieder hinaus in die Welt darf 😎.

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