Kleine Kaffee-Kulturgeschichte XVI – Cafés des 20. Jahrhunderts

Die führenden Kaffee-Nationen Europas drückten dem Stil ihrer Cafés ihren jeweiligen Stempel auf. Im k.u.k. Österreich das Kaffeehaus, im republikanischen Frankreich das Café und im turbulenten Italien die Cafè-Bar. Obwohl sich diese drei Modelle, vor allem in der Anfangszeit nur in Nuancen voneinander unterschieden, sprach man schon bald von Cafés im Wiener, im französischen und im italienischen Stil.

Das französische Café prägt bis heute unser Bild von dem, was wir als ideales Café betrachten: etwas weniger klassisch, als das Wiener Kaffeehaus, dafür ein wenig mehr Gemütlichkeit. Gerne liegt das Café an einer belebten Straße, im Sommer mit bewirtschafteter Terrasse und abends mit einem guten Wein oder einem Glas Pernod.

Die römische Cafè-Bar hingegen erfuhr Anfang des 20. Jahrhunderts einen grundlegenden Wandel, als es mit der Erfindung der Espresso-Maschine erstmals möglich war, einen Kaffee schnell auf Bestellung aufzubrühen. Fortan konnten die Leute wählen, ob sie nur schnell im Stehen – al banco – einen Espresso trinken wollen, oder ihn im Sitzen und in aller Ruhe – al tavolo – genießen wollen.

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Das Wort Espresso hat nach vorherrschender Meinung weder etwas mit Pressen, noch mit Express zu tun. Es kommt vermutlich vom italienischen espressivo, was so viel bedeutet wie ausdrücklich oder eben auf Bestellung. Wikipedia hat noch eine andere Theorie parat: „Die Bezeichnung ‚espresso‘ geht auf zwischen 1840 und 1870 hergestellte sogenannte ‚Kaffeelokomotiven‘ zurück. Deren Bezeichnung spielt auf die Analogie der Kaffeezubereitung mit Dampf und einer Dampflokomotive an. Der Mailänder Luigi Bezzera konnte auf die Popularität der Assoziation von Kaffee mit dampfbetriebenen Expresszügen zurückgreifen, als er 1901 die erste Maschine für ‚caffè espresso‘ patentieren ließ. Das Wort ‚espresso‘ ist demnach eine Entlehnung aus dem Englischen, wo die Bezeichnung „express“ für Schnellzug seit Mitte des 19. Jahrhunderts belegt ist. In verschiedenen Sprachräumen wird espresso mit ‚x‘ geschrieben, etwa in Spanien (café expreso), Portugal (café expresso) und Rumänien (cafea expres).“

Wie dem auch sei, diese neue Zubereitungsart veränderte nicht nur die Kaffee-Trinkgewohnheiten der Italiener, sie prägte auch den Stil der neuartigen Café-Bar. Diese Art des „modernen Cafés“ schwappte in den 70er und 80er Jahren zu uns nach Deutschland und verhalf Espresso, Cappuccino & Co hier zum Durchbruch. Man spricht von der „Zweiten Welle“.

Im Gepäck hatte der Espresso übrigens auch das typische, italienische Eiscafé. Speiseeis gehörte schon von Anfang an zum Repertoire der Kaffeesieder. Vor allem im Sommer und in den höheren Kreisen wurde diese Art der Erfrischung sehr geschätzt. Mit der Eisdiele kam der Eisgenuss für Jedermann. Klar, dass es hier auch einen guten Espresso gibt!

 

Titelbild: „Zu den blauen Flaschen“, Altwiener Kaffeehausszene, etwa 1900, gemeinfrei. Bild „Tasse mit Espresso“, gemeinfrei, nonami2/Wikipedia.com; Quellen: Wikipedia, „Das Wiener Kaffeehaus“, Birgit Schwanner, K.-M. Westermann, Pichler Verlag, „Das Wiener Kaffeehaus“, Goldmann Austriatica, „Kaffee und Kaffeehaus“, Ulla Heise, Komet.

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