Osterferien – und wir müssen daheim bleiben. Mit Verreisen ist ja wohl erstmal eher nichts. Aber davon lassen wir uns die Ferienlaune nicht verderben. Wenn wir nicht selbst in die Ferne schweifen können, dann machen wir es wenigstens in Gedanken. Denn die sind ja bekanntlich frei! Also verreisen Sie mit mir an einige der schönsten Kaffee-Orte Europas!
Mit über 1,7 Millionen Einwohnern ist die ungarische Metropole Budapest die neuntgrößte Stadt der Europäischen Union. Laut dem britischen Marktforschungsunternehmen Euromonitor International gehört sie zu den zwanzig am häufigsten von Touristen besuchten Städten Europas. Das hat natürlich seinen Grund: wie kaum eine andere Stadt hat Budapest ihren Flair der Gründerzeit und der Jahrhunderwende erhalten. Zum Teil aufwendige Renovierungen und Restaurierungen nach dem Fall des Eisernen Vorhangs tragen heute dazu bei, dass sich Budapest in neuem, alten Glanz zeigen kann.
Einen Eindruck der Stimmung, die in der unarischen Metropole um die Zeitenwende vom 19. zum 20. Jahrhundert herrschte, erhaschen wir im New York Kaffeehaus. Fast könnte man meinen, man hätte sich statt in ein Café in eine Barockkirche verlaufen. Vergoldete, reich verzierte Säulen, Stuck und allerlei anderer Zierrat, verschnörkelte Geländer. Der gast sitzt bequem auf rot gesamteten Stühlen an Marmortischen. Die Küche, ein Mix aus internationalen und traditionell-ungarischen Gerichten, ist preisgekrönt, die Auswahl reichlich. Kuchen, Torten und Desserts sind kleine Köstlichkeiten. Hier wird der New York Cheesecake nicht serviert – er wird zelebriert.
Manche behaupten, das New York kávéház in Budapest sei das schönste Kaffeehaus der Welt. Auch, wenn die Behauptung gewagt ist, sie ist nahe liegend. An nur wenigen Orten in Europa lässt sich der Geist des „fin de siècle“ so intensiv nachempfinden, wie hier. Es ist der italienischen Boscolo Hotel-Gruppe zu verdanken, dass es das New York in dieser Form noch gibt. Nach der Jahrtausendwende übernahm Boscolo das Gebäude, restaurierte und rettete so das Café, dass während der Zeit des Kommunismus „Hungaria“ hieß und richtete im restlichen Haus das New York Palace Boscolo, Budapest ein, ein Hotel der Luxusklasse mit 107 Zimmern und direktem Zugang zum Café. Nach der stilechten Renovierung erhielt das New York kávéház die Europa Nostra-Medaille, ein Symbol des europäischen Denkmalschutzes. So ist ein Besuch nicht nur ein touristisches Erlebnis, es ist die Begegnung mit einer historischen Epoche.
Marmorne Fußböden und Säulen, Fresken und Stuck an Decken und Wänden, große Kronleuchter spendenden schummriges Licht und jede Menge Gold und Zierrat – wären nicht die vielen Tische, die Kellner, das Gedränge und Geraune, mann meinte man wäre in einer barocken Kirche gelandet oder zumindest im Palast eines absolutistischen Herrschers. Hier läuft man nicht, man schreitet, vorbei an eckigen Tischen aus Glas und Metal, an mit rotem Samt bezogenen Stühlen.
Trotz der Größe eines mittleren Doms sind die wenigen freien Plätze schnell besetzt – eine Kathedrale der Kaffeehaustradition und ein Denkmal des „fin de siècle“, Ausdruck von wiedergefundener Freiheit und erstarktem Selbstbewusstsein, Mittelpunkt von Boheme, Intellektuellen- und Literatentreff. Unter anderem verkehrten, dichteten und und schrieben hier: Ferenc Molnár, Dezső Kosztolányi, Frigyes Karinthy. Später trafen sich hier auch Filmschaffende wie Alexander Korda und Michael Curtiz, als der noch Mihály Kertész Kaminer hieß.
Das Budapester Bürgertum bevorzugte es etwas schlichter, wie etwa im Café Gerbeaud. Gegründet bereits im Jahre 1858, also vor der Budapester Gründerzeit und damit auch vor der Hochzeit der Kaffeehäuser in der ungarischen Hauptstadt. Trotz aller Eleganz besticht es durch die Schlichtheit seiner Einrichtung, eine leicht modernisierte Anmutung an das eben verklungene Biedermeier. Trotzdem präsentiert sich das Gerbeaud als Kaffeehaus par excellence, blickt es doch nicht nur auf eine bewegte Geschichte zurück, sondern kann auch auf eine bis heute andauernde Konditorentradition verweisen.
Wenn das New York kávéház der Treffpunkt der Literaten der ungarischen Hauptstadt war und das Café Gerbeaud der des Bürgertums, dann war das Gresham-Kaffeehaus das Wohnzimmer der Avantgarde. Der ursprünglich neoklassizistische Bau wurde Anfang des 20. Jahrhunderts durch einen Prunkbau im Jugendstil ersetzt und zum Budapester Sitz der Londoner Versicherungsgesellschaft The Gresham. Die suchte sich für ihren Prestige-Bau einen Platz am Pester Brückenkopf der Kettenbrücke und unweit des Parlamentes. Die beiden ungarischen Architekten Zsigmond Quittner und Jozsef Vago setzten dieses Vorhaben um und schufen ein beeindruckendes Gebäude, das heute das Luxushotel Four Seasons Gresham Palace Hotel beherbergt und im Erdgeschoss links vom Empfang das Gresham-Kaffeehaus.
Sehenswert ist schon das Gebäude selbst, zum Beispiel die detailreiche Außenfassade mit zahlreichen Dekorationen. An der Spitze der Fassade befindet sich eine Steinskulptur von Sir Thomas Gresham, dem Gründer der Londoner Börse und Gründer der nach ihm benannten Versicherungsgesellschaft. Auch die zahlreichen schmiedeeisernen Pfauen-Tore, Feine Wandkacheln und Bodenfliesen, die zu Ornamenten arrangiert wurden, aufwendige Bleiverglasungen und Glasmosaike und das aufwendige Interieur, wie die prunkvollen Treppenaufgänge oder die lichtdurchflutete Eingangshalle.
Nach der aufwendigen Renovierung präsentiert sich das Gresham-Kaffeehaus und die daran angeschlossene Hotelbar – die Bar & Brasserie Kollázs – im Stil der 20er Jahre. Trotzdem erlaubt der Blick aus großen Fenstern die Aussicht auf das Treiben auf der Donau-Promenade. Ursprünglich mit dem Namen Gresham Venezia bedacht gab es hier ein typisches Kaffeehaus, in dem sich alsbald eine Gruppe intellektueller Künstler einfand, der sogenannte Gresham-Kreis. In dieser Tradition wurde das Gresham Kávéház 2004 wieder eröffnet und bietet, neben einem kurzen Blick in die prunkvolle Lobby des Hotels, einen ruhigen Rastplatz für müdegelaufene Touristen – für eine Tasse Kaffee zum Beispiel.
Ein typisch englisches Frühstück im Stamm-Pup von Churchill und Dickens! Morgen besuchen wir London! Hier geht es nach Zürich.
Bild New York kávéház von außen: Pasztilla/Wikipedia.org.
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