Sonntag, Frühstückszeit. Erst hört man das Kreischen der Kaffeemühle. Ein angenehmer Duft nach frischem Kaffeemehl breitet sich aus. Inzwischen blubbert schon der Wasserkessel. Langsam wird der Kaffee aufgegossen. Jetzt riecht es nach frischem Kaffee, kräftig, aromatisch. Jetzt wird eingeschenkt; der Löffel klappert am Porzellan. Und dann der erste Schluck – heiß und lecker!
Stellst Du Dir den Kaffee vor? Kannst Du ihn riechen? Kannst Du ihn schmecken? Dann hat der psychogene Effekt bei Dir wahrscheinlich schon eingesetzt! Das bedeutet, dass der Kaffee bei Dir wirkt, ohne dass Du ihn tatsächlich getrunken hast. Das zumindest behauptet eine Studie der University of Toronto und und der Monash University. Die Forscher Sam Maglio und Dr. Eugene Chan stellten fest, dass schon der bloße Gedanke an Kaffee bei Kaffeeliebhabern zu einem intensiven Placeboeffekt führen kann, auch ohne das ihn konsumiert zu haben.
Für viele beginnt jeder Tag mit einer heißen Tasse Kaffee, mit der sie das Gehirn für den Arbeitstag aktivieren. Der morgendliche Kaffee fördert zwischenmenschliche Begegnungen, sorgt für das leibliche Wohl und stellt für einige Genießer ein unumgängliches Ritual dar. Doch viele konsumieren das Heißgetränk nicht nur des Geschmacks wegen, sondern weil Kaffee als Wachmacher Nummer eins gilt, zumindest in der westlichen Hemisphäre.
Doch funktioniert das auch in der Vorstellung? Ja, meint Dr. Chan. von der Monash University: „Solange Menschen Kaffee mit einem Erregungszustand verbinden, ganz gleich, woher diese Assoziation auch stammt, kann die Wahrnehmung von Sinnesreizen, die an Kaffee erinnern, das zentrale Nervensystem stimulieren, ohne irgendeine Form von Koffein zu sich zu nehmen. Der bloße Duft von Kaffee ruft dann die psychoaktiven, anregenden Effekte des Heißgetränks hervor.“
Die Forscher haben 871 Studienteilnehmer aus westlichen und östlichen Kulturen in vier verschiedenen Experimenten Kaffee- und Tee-bezogenen Reizen ausgesetzt, die sie an das Getränk denken ließen, ohne es tatsächlich zu sich zu nehmen. Während der gesamten Untersuchung überwachten die Wissenschaftler die Erregungswerte und die Herzfrequenzen der Teilnehmer. Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass die Wahrnehmung von Kaffee-Reizen, also von Bildern, Gerüchen und Geräuschen, die einen an Kaffee denken lassen, die Aufmerksamkeit, Energie und Herzfrequenz der Menschen steigern und ihre kognitiven Leistungen verbessern kann.
Die kognitiv-verändernde Wirkung von Kaffee war bei Teilnehmern aus westlichen Ländern stärker verbreitet, da Kaffee dort im Vergleich zu östlichen Ländern beliebter ist und mit Energie, Konzentration und Ehrgeiz in Zusammenhang gebracht wird. Kaffee wird dort auch ein größerer anregender Effekt nachgesagt als Tee. „Aus unserer Untersuchung lassen sich faszinierende Schlüsse ziehen, da sie aufzeigt, dass weniger physiologische Aspekte als vielmehr die psychologischen Assoziierungen unsere kognitiven Muster verändern können“, so Dr. Chan.
Bildrechte: okalinichenko/Fotolia.com (3x), Quellen: Heilpraxisnet, Australisch-Neuseeländischer Hochschulverbund, Institut Ranke-Heinemann, die Studie wurde im April 2019 in der Fachjournal Consciousness and Cognition veröffentlicht.